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Erebos

Erebos

Titel: Erebos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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wünschen. Darauf musste Nick vorbereitet sein, er würde sich etwas Gutes überlegen. Etwas Sinnvolles. Eben. Er brauchte also kein schlechtes Gewissen zu haben.
    Mit diesem Gedanken bog er in die Straße zur Schule ein, wo es ungewöhnlich ruhig war. Als hätte jemand eine Fernbedienung genommen und die Lautstärke runtergedreht. Zwar lungerten einzelne Schüler und auch kleine Gruppen vor dem Gebäude herum, so wie immer, doch der Geräuschpegel war minimal. Wer sich unterhielt, tat das leise. Nick entdeckte zwei jüngere Mädchen, die demonstrativ wartend neben dem Schultor standen und Blickkontakt mit jedem suchten, der eintrat. Ihre Körpersprache war unmissverständlich: Wir haben es noch nicht.
    Unter einem Kastanienbaum mit rötlich verfärbten Blättern stand Emily. Eric war nicht bei ihr. Diese Tatsache ließ Nicks Herz bis in den Hals pochen. Mach dich nicht lächerlich. Es hat nichts mit deinem Wunsch zu tun. Nichts.
    Aber alleine war Emily auch nicht, sie sprach mit Adrian. Der kleine McVay hatte die Arme um den Körper geschlungen und sah Emily nicht an, während er sprach. Sie hörte zu, nickte, wischte dann mit einer plötzlichen Geste über ihr Gesicht und wandte sich ab.
    Dem Impuls, sich zu ihnen zu stellen, war schwer zu widerstehen, doch Nick war klar, dass sie ihr Gespräch sofort unterbrechen würden, wenn er auch nur in die Nähe käme.
    In der Zwischenzeit hatte eines der Mädchen am Schultor endlich Erfolg: Ein Junge, der, soweit Nick wusste, im Schulorchester Saxofon spielte, winkte sie zu sich, flüsterte ihr etwas ins Ohr, sie nickte, er flüsterte weiter und zog nach einiger Zeit einen flachen Gegenstand aus seiner Tasche …
    »Nick?«
    Der stille Greg hatte sich von hinten angeschlichen. Nick fuhr herum, schon wieder hämmerte sein Herz wie verrückt. Wieso war er so erschrocken?
    »Du musst mir helfen, Nick. Bitte.«
    Gregs Unterlippe zitterte leicht, ebenso wie seine Hände, die einen originalverpackten DVD-Rohling hielten.
    »Ich bin rausgeflogen gestern Abend. Aber das war ein Irrtum, echt, ich muss unbedingt mit dem Boten reden und du musst mir dein Spiel kopieren, bitte!«
    Unwillkürlich trat Nick einen Schritt zurück, fort von der DVD, die Greg ihm entgegenhielt, doch der kam sofort wieder näher.
    »Ich war schon so weit, ich war eine –«
    »Ich will es nicht hören!«, rief Nick.
    Ein paar Schüler, die einige Schritte entfernt standen, drehten ihre Köpfe nach ihm um. Nick marschierte ohne ein weiteres Wort auf den Eingang zu, doch kaum war er in der Halle, packte Greg ihn am Ärmel.
    »Ich sage doch, es war ein Irrtum! Ich habe alles getan, was er wollte, ich war nur ein kleines bisschen zu spät und da hat er mich einfach …« Greg biss sich auf die Lippen.
    »Jedenfalls ist es ein Irrtum. Kopier mir dein Spiel, bitte. Bitte!«
    Starb an Unpünktlichkeit, dachte Nick beklommen.
    »Ich kann nicht, das solltest du eigentlich wissen«, sagte er. War dahinten Colin? Sah er zu ihm herüber?
    »Die Regeln sind klar: Du kannst es nur einmal spielen. Tut mir leid für dich.«
    »Ja. Ja! Aber bei mir war es eben ein Irrtum! Deswegen ist es etwas anderes. He, ich helfe dir das nächste Mal auch, okay? Ich lerne Chemie mit dir. Oder ich bezahle dir die Kopie, ja? 20 Pfund? Wäre das in Ordnung?«
    Nick ließ ihn stehen, dahinten war tatsächlich Colin, der lässig an der Wand lehnte und die Szene beobachtete.
    »Arschloch«, schrie Greg, auf einmal gar nicht mehr still, Nick hinterher. »Verschissenes Arschloch!«
    Colin grinste, als Nick an ihm vorbeiging.
    »Was wollte Greg von dir?«
    »Geht dich nichts an.«
    »Scheint, als hätte er es nicht bekommen.«
    »Blitzmerker.«
    Ich hätte doch zu Hause bleiben sollen, dachte Nick, als er vor seinem Spind stand und plötzlich nicht mehr wusste, was er für die erste Stunde brauchte. Waren es die Biobücher? Oder die für Englisch? Welchen Tag hatten sie heute eigentlich?
    Er gähnte und begrüßte Aisha, die starr an ihm vorbeiblickte, ohne zurückzugrüßen. Wie es aussah, hatte noch jemand schlecht geschlafen. Sie musste mehrmals ansetzen, um mit dem Schlüssel das Schloss ihres Spinds zu finden. Als sie die Tür endlich offen hatte und nach ihren Sachen griff, fiel ein ganzer Stapel Bücher heraus und verteilte sich über den Korridor. Irgendjemand kicherte spöttisch.
    Aisha ließ die Arme hängen und machte keine Anstalten, ihren Kram aufzuheben.
    »He«, sagte Nick. »Soll ich dir helfen?«
    Sie schüttelte heftig den Kopf

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