Erfindergeist
Firmenkonstrukt aufgebaut. Damit sie in ihren Berichten kein Haus- und Grundvermögen angeben muss, wurden beispielsweise Vermögensverwaltungsvereine außerhalb der Partei gegründet. Und mit den Beteiligungen läuft es ähnlich.«
»Das ist der reine Wahnsinn. Das wäre genauso, als würde der CDU die katholische Kirche gehören. Weiß die Öffentlichkeit Bescheid?«
»Na, sicher doch. Jedenfalls wissen es die, die sich dafür interessieren oder die Zusammenhänge halbwegs erfassen. Die anderen Parteien sind auch nicht besser. Der SPD zum Beispiel gehörten bis vor nicht allzu langer Zeit 90 Prozent der Tageszeitung ›Frankfurter Rundschau‹.«
Wieder einmal steckten hinter der ganzen Sache finanzwirtschaftliche Motive. Geld regierte anscheinend doch die Welt. Im Kleinen, wenn man sich die Gemüseanbaubranche aus meinem vorletzten Fall anschaute oder die Gesundheitsbranche aus dem letzten, genauso wie im Großen. Nun hatte ich es sogar mit einer der etablierten Parteien zu tun. Und immer war das Motiv das Gleiche: Geld, Geld und nochmals Geld.
»Haben Sie etwas über die Verbindungen des Vereins zum Holiday Park herausfinden können?«
»Der Holiday Park ist einer der potenziellen Kunden. Seit fast zwei Jahren wird der Geschäftsführer des Parks bedrängt, endlich eine Solaranlage in Auftrag zu geben.«
Ich war ziemlich verwirrt. Wenn der Verein den Park als Kunden gewinnen wollte, so würde man keinen seiner Mitglieder deswegen ermorden. Und warum war Herr Bernhardus erschossen worden? Es ergab für mich einfach keinen Sinn. Hinzu kam dieser ominöse saudi-arabische Geheimdienst. Vermutlich konnte man auch den Papieraufleser mit dem russischen Namen und die bei Jacques im Keller gefundene russische Zigarette dem Gesamtbild hinzufügen. Doch wie? Einigermaßen klar für mich war nur, dass der Solarverein Solaranlagen verkaufen wollte, die Araber keine Lust hatten, auf ihrem Öl sitzen zu bleiben und bei den Russen vermutete ich, dass es ihnen um die Erdgasvorräte in Sibirien ging. Sollte Jacques wirklich eine Erfindung gemacht haben, die von solch einer weitreichenden internationalen Bedeutung war? War mein Freund in die Schusslinie dieser Interessengruppen geraten? Und was hatte das alles mit dem Holiday Park zu tun? Handelte es sich nur um einen konspirativen Treffpunkt oder spielte der Park eine gewichtigere Rolle?
»Herr Becker«, sprach ich den Studenten erneut an. »Hat sich eines der Mitglieder in irgendeiner Form darüber geäußert, wer Herrn Kluwer ermordet haben könnte?«
»Absolut niemand. Sie waren alle sehr erschüttert, konnten aber keine Erklärung finden. Sie waren sich einig: Der Verein müsse weiterleben, es gebe noch so viel Gutes zu tun.«
»Vielen Dank, Herr Becker. Sie haben uns mit Ihrer Recherche sehr weitergeholfen. Leider kann ich mich derzeit nicht revanchieren, da wir keine weiteren Informationen haben. Wir stehen vor einem riesengroßen Rätsel.«
»Kann ich darauf vertrauen, dass Sie mir, wenn sich in dem Fall etwas tut, Bescheid geben? Vielleicht ist das der Beginn einer neuen kriminellen Geschichte?«
»Der Beginn?«, fragte ich stirnrunzelnd. »Wir sind mittendrin in dieser kriminellen Geschichte, Herr Becker!«
Jutta und ich dankten ihm nochmals für seine Aussage, und schließlich gelang es uns, ihn zu verabschieden.
9. Die letzte Chance
»Was meinst du dazu, Jutta?«, fragte ich meine Kollegin, nachdem Becker gegangen war.
»Tut mir leid, da bin ich überfragt. Ich weiß nicht, wo wir hier einen Ansatzpunkt haben. Übrigens, die Typen vom Geheimdienst waren echt. Der BND hat das vorhin bestätigt. Was ist bei dir herausgekommen?«
Ich berichtete von dem Gespräch mit Herrn Schleicher. Ich erwähnte auch den russischen Mitarbeiter und kündigte ein Fax mit detaillierten Angaben an.
»Werde ich gleich checken, Reiner. Übrigens, bisher wurde weder Jacques’ noch Brezanos Wagen gefunden. Die Fahndung läuft ja auch noch nicht lange. Auf meinem Schreibtisch liegt ein erster Zwischenbericht: Jürgen war so nett, alle bisherigen Ermittlungsergebnisse zusammenzustellen. Es sind sogar die ersten vorläufigen Resultate aus Speyer und dem Einbruch im Park dabei. Leider bringt uns das alles nicht weiter.«
»Jürgen hat das erstellt?«, fragte ich erstaunt, während ich den Bericht überflog.
»Wer denn sonst? Ich habe so viel zu tun, dass ich nicht dazu komme. Ich habe allein drei Stunden gebraucht, um eine Liste der besten Lachsschnittchenlieferanten der Umgebung
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