Erfindergeist
das Wohl der Mitarbeiter am Herzen liegt. Aus diesem Grunde habe ich eine Umfrage unter den Kollegen durchgeführt, Mehrfachnennungen waren übrigens möglich. 60 Prozent stimmten für Döner, knapp 80 Prozent für Hamburger mit Pommes und immerhin knapp die Hälfte für Bratwürste mit Senf. Für Champagner haben sich lediglich 10 Prozent ausgesprochen, wovon zwei Drittel dieses Gesöff allerdings nur in Kombination mit Orangensaft mögen. Wegen des Exportbiers habe ich extra noch einmal nachgefragt: Es sind nur zwei Kollegen, die das mögen. Deshalb habe ich es bei einem halben Kasten belassen und dafür ein zusätzliches Fässchen Pilsner geordert. Auf flambiertes Zeug habe ich ganz verzichtet, da unser Energieberater bestimmt irgendwelche Einwände hätte. Und die Bierzeltgarnituren finden fast alle Kollegen in Ordnung, weil man zu später Stunde gut darauf rumrocken kann. Letztes Jahr haben wir eine AC / DC -Session hingelegt, da hat das ganze Gebäude gewackelt.«
Leider blieb die erwartete Reaktion aus. KPD saß nur mit offenem Mund da und bewegte sich nicht. Jutta hatte sich umgedreht, um nicht loszulachen. Keiner sagte etwas. Nur sehr langsam kam wieder Leben in unseren Vorgesetzten.
»Ist das wahr, Herr Palzki?«, flüsterte er sichtlich mitgenommen. »Sind meine Untergebenen wirklich alles Nahrungsmittelproleten? Gibt es hier in Schifferstadt keine Esskultur?« Er drehte sich zu Jutta um, seine Stimme wurde wieder fester. »Frau Wagner, bitte notieren Sie Folgendes: Wir beide werden die Weihnachtsfeier selbst in die Hand nehmen, ich stelle das Menü zusammen und suche ein geeignetes Etablissement aus. Und damit es bei der Feier selbst zu keiner Tragödie kommt, werden wir vorher einen Koch- und Kniggekurs, den ich selbstverständlich selbst leiten werde, für alle Mitarbeiter auf die Beine stellen. Die Teilnahme daran ist für alle Untergebenen verpflichtend. So ein Kurs gehört eigentlich zur Grundausbildung jedes Polizeibeamten.«
KPD echauffierte sich noch ein wenig, bevor er schließlich den Raum verließ. Ich hatte keine Chance, ihn auf unseren momentanen Personalmangel anzusprechen.
»Das war knapp, Reiner. Ich dachte schon, der schmeißt dich raus.«
»Schade, dass es nicht geklappt hat«, erwiderte ich erleichtert und schmunzelte.
»Deine Kollegen werden auf jeden Fall überaus begeistert sein, wenn sie erfahren, wem sie diesen Kniggekurs zu verdanken haben.«
»Das ist nur meine Retourkutsche. Das nächste Mal werden die mich garantiert nicht mehr für die Organisation einer Weihnachtsfeier empfehlen.«
»Davon kannst du ausgehen.«
»Weiß man eigentlich inzwischen, für was das ›P‹ in seinem Namen steht? Steht es vielleicht wie bei einem Künstlernamen für ›Polizist‹?«
»Nein, Reiner, das Geheimnis ist längst gelüftet. Das ›P‹ steht für ›Pierre‹. Unser KPD heißt mit vollem Namen nämlich Klaus Pierre Diefenbach.«
»Von mir aus«, winkte ich ab. »Wo gibts neue Kekse?«
»Du hast gleich ganz andere Probleme, mein Lieber. Ich habe Stefanie weder bei dir zu Hause noch in Ludwigshafen erreicht. Tut mir leid. Fahr am besten gleich nach Hause und versuche zu retten, was zu retten ist.«
Jutta hatte vollkommen recht. Heute Morgen wollte ich nur kurz zu Jacques’ Wohnung wegen des Einbruchs fahren. Inzwischen waren ein paar Stunden vergangen und ich war dauernd unterwegs gewesen. Und ich hatte mich nicht gemeldet. So hatte ich mir die Herbstferien mit Stefanie und den Kindern wirklich nicht vorgestellt. Ich fuhr nach Hause. Wenn mir Stefanie meine heutigen Eskapaden verzieh, würde ich morgen auf dem Arbeitsamt nach einer Umschulung anfragen.
Ich war sehr überrascht und auch ein wenig erleichtert, als ich Stefanie zusammen mit Paul und Melanie vor dem Haus unserer Nachbarin erblickte. Frau Ackermann schien wieder in Höchstform zu sein. Meine Lieben waren sicher schon eine Weile hier. Die Kinder saßen auf dem Boden vor Stefanies Einkaufskorb und verspeisten, vermutlich aus Frust, rohe Karotten.
»Da bist du ja, Schatz«, rief mir Stefanie in überaus freundlichem Ton entgegen. »Du wirst bestimmt hungrig sein, ich mach uns gleich etwas zu essen. Entschuldigen Sie, Frau Ackermann, vielen Dank für Ihre Informationen. Sie sehen, die Pflicht ruft.« Sie bückte sich, um ihren Einkaufskorb hochzuheben und lief so schnell sie nur konnte auf unser Grundstück.
Ich hatte inzwischen die Eingangstür aufgeschlossen und war gleich im Innern des Hauses verschwunden.
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