Erfindergeist
Die Kinder rannten an mir vorbei. Kurz darauf kam auch Stefanie herein und schloss die offen stehende Eingangstür.
»Dass du mich von dieser Quasselstrippe erlöst hast, rechne ich dir hoch an. Über den Rest reden wir später. Ich mache uns jetzt erst einmal etwas zu essen, die Kinder haben Hunger und ich vermute, dass es dir nicht anders geht.«
Um meine Frau zu besänftigen, verzichtete ich auf die Zeitungslektüre und machte mich nützlich. »Erzähl doch mal, was du heute so alles erlebt hast«, forderte mich schließlich die beste aller Ehefrauen auf. »Es war dir auch bestimmt nicht langweilig?«
Den Sarkasmus in ihrer Stimme hörte ich deutlich heraus. So begann ich, den Tag Revue passieren zu lassen. Manches ließ ich im Dunkeln, denn ich wollte meine Frau nicht beunruhigen. Andere Dinge schmückte ich dafür aus. Zum Beispiel meine vergeblichen Versuche, daheim anzurufen.
»Ich glaube, dir würde ein Kochkurs ganz guttun. Jeder Mann sollte eigentlich kochen können!«, meinte sie, als sie sah, wie ungeschickt ich die Karotten bearbeitete.
Das Essen verlief wie am Tag zuvor. Die Kinder trauten sich auch heute nicht, am Gemüse herumzumäkeln. Und auf ihre vielsagenden Gesichtsausdrücke reagierte ihre Mutter einfach nicht. Der Rest des Abends lief in geordneten Bahnen. Stefanie drückte mir wieder eines ihrer Namensbücher in die Hand, diesmal blätterten wir gemeinsam in dem Werk. Sie schien leicht in Panik zu sein, weil sie noch keinen Namen für unser Baby hatte.
Als die Kinder endlich schliefen, setzte sie sich neben mich und las eine ihrer Gesundheitsratgeberzeitschriften.
»Du, Reiner«, begann sie plötzlich. »Morgen ist Wochenende. Urlaub hast du auch. Meinst du, wir könnten für den Abend meine Mutter zum Essen einladen?«
»Du willst, dass deine Mutter uns morgen besucht? Ich dachte, wir machen einen Familienausflug.«
»Das können wir am Sonntag immer noch. Erst die Pflicht, dann die Kür.«
»Wann soll deine Mutter kommen?«
»Erst gegen 20 Uhr. Vorher fahre ich mit den Kindern zu Christin nach Rheingönheim. Ich möchte mit ihr Rezepte austauschen.« Sarkastisch ergänzte sie: »Das habe ich mit ihr vereinbart, da ich nicht wusste, ob du morgen zu Hause bist. Du musst nicht mitkommen. Ihr Mann Michael ist nämlich auf Geschäftsreise. Du kannst in Ruhe Zeitung lesen. Natürlich wäre es toll, wenn du das Essen machen könntest.«
Ich vertiefte mich in das Namensbuch. Hoffentlich hatte Stefanie ihren letzten Satz nicht allzu ernst gemeint.
10. Schatten der Nacht
Am Samstagmorgen konnten wir ausschlafen. Irgendwann weckten uns die Kinder und wir frühstückten ausgiebig.
Den aktuellen Fall verdrängte ich so gut es ging und widmete mich meiner Familie, bis meine Lieben sich zur Abfahrt rüsteten. »Und vertrage dich um alles in der Welt mit meiner Mutter, falls sie etwas früher kommt und wir bis dahin noch nicht zurück sein sollten.« Mit diesen Worten verabschiedete sich Stefanie von mir.
Ich genoss das Alleinsein, holte mir eine Tiefkühlpizza aus dem Keller, erhitzte sie im Mikrowellenherd und machte es mir auf dem Sofa gemütlich. Ich biss eben in ein Stück Pizza, als das Telefon klingelte.
»Palzki«, meldete ich mich.
»Spreche ich mit Reiner Palzki?«, fragte mich eine mir unbekannte Stimme.
»Ja. Mit wem habe ich die Ehre?«
»Sie kennen mich nicht, Herr Palzki. Mein Name ist Brezano. Ich bin einer der Liliputaner, die im Holiday Park arbeiten.«
»Ich weiß, wer Sie sind. Wir suchen Sie bereits seit gestern Morgen.«
»Nun denn. Ich konnte mich nicht früher melden. Auf der Polizeiwache wollte man mir Ihre Privatnummer nicht geben, also habe ich sie im Telefonbuch gesucht. Ich muss Sie unbedingt sprechen!«
»Was gibt es denn so Dringendes, Herr Brezano?«
»Ich weiß, wer den Wolf umgebracht hat.«
»Und?«
»Nicht am Telefon, Herr Palzki. Besser, Sie kommen zu mir. Geht das?«
»Klar kann ich kommen. Zu Ihnen nach Hause?«
»Nein, das ist zu gefährlich. Kommen Sie in den Park. Da gibts genügend geeignete Verstecke.«
»Sie sind im Park? Weiß Herr Schleicher das?«
»Keiner weiß das. Ich kann niemandem mehr trauen. Ich habe gesehen, wie Wolf umgebracht wurde. Was ist? Werden Sie kommen?«
»Sicher komme ich. Wo kann ich Sie treffen?«
»Um 19.30 Uhr beginnt die Halloween-Parade. Stellen Sie sich neben das Karussell, das gegenüber der Burg Falkenstein steht. So kann ich sehen, ob Sie allein sind. Gehen Sie, wenn die Parade fertig ist, zum
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