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Erfindergeist

Erfindergeist

Titel: Erfindergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Parkpflege sowie für logistische Zwecke genutzt. Zwischen ihnen liefen verkleidete Fußgruppen umher. Vermutlich handelte es sich um Karnevalsvereine, die sich den Spaß gönnten, außerhalb der Saison ihrer Narrenfreiheit zu frönen. Diese Hexen, Außerirdischen oder undefinierbaren Monster traten immer in Rudeln auf und neckten die Besucher, indem sie mit Reisigzweigen oder anderen Gegenständen, die sie in der Hand hielten, vor deren Gesichtern herumfuchtelten. Überall blinkte und rauchte es. Um es mit den Worten meines ehemaligen Deutschlehrers auszudrücken: ›Die Luft war von einer Stimmung geschwängert‹, die auf die Besucher Furcht einflößend und trotzdem völlig ungefährlich wirkte.
    Zwischen Motivwagen und Fußgruppen gab es Handwagen, die von grotesken Gestalten gezogen wurden. Auf diesen Fuhrwerken befanden sich beispielsweise Aufbauten mit Galgen oder Guillotinen. Selbst ein Sarg war dabei, der sich ständig öffnete und schloss, inklusive eines Skeletts, das den Besuchern apathisch zuwinkte.
    Schließlich fuhr ein größerer Motivwagen in mein Sichtfeld, der Frankensteins Labor zum Thema hatte. In Plexiglasgefäßen, die wie Aquarien aussahen, schwammen beleuchtete Organe. Ein Mann, der mir den Rücken zugewandt hatte, war als Frankenstein verkleidet. Mit zwei Elektrodenplatten, wie sie zur Wiederbelebung in der Notfallmedizin benutzt wurden, ließ er die Funken sprühen.
    Als der Wagen an mir vorbeigezogen war, blickte ich ihm nach und konnte Frankenstein nun von vorne erkennen. Sofort begann mein Herz zu rasen. Das war Jacques! Dieser verkleidete Frankenstein war mein Freund Jacques! Ohne weiter nachzudenken, schlüpfte ich unter der Absperrung hindurch, um so schnell wie möglich zu meinem tot geglaubten Freund zu gelangen. Sofort nahmen mich drei oder vier Hexen in Beschlag und hielten mich fest. Eine weitere schlug mir mit ihrem Besen auf das Hinterteil. Die Zuschauer johlten und der Frankensteinwagen entfernte sich immer mehr. Nur unter Aufwendung meiner ganzen Kraft konnte ich mich losreißen und dem Fuhrwerk nachlaufen. Schweißgebadet und außer Puste erreichte ich den Wagen und schaute zu meinem Freund hoch. Er sah von oben auf mich herab, schien mich jedoch nicht zu erkennen und hantierte weiter unbekümmert mit seinen Elektrodenplatten herum. Ich war nahe dran, das Teil zu erklimmen, da schaltete sich mein Verstand wieder ein. Es ist Wunschdenken, Reiner, sagte ich mir: Schau genau hin, dieser Frankenstein ist viel zu groß. Die Maske und diese Perücke haben dir einen üblen Streich gespielt. Darunter steckt ein ganz anderer Mensch. Jacques ist tot!
    Dass die Hexen mich inzwischen wieder eingefangen hatten, war mir einerlei. Da ich teilnahmslos innehielt, ließen sie nach einer Weile von mir ab. Ich schlüpfte wieder unter dem Absperrband hindurch und ließ den Rest der Parade an mir vorüberziehen, ohne irgendwelche Details wahrzunehmen. Als der letzte Motivwagen das Karussell passierte, hatte ich mich wieder einigermaßen unter Kontrolle. Auf einem großen Schiff fuhr das Parkmaskottchen, Papagei Holly, an mir vorbei und die Parade war zu Ende.
    Wie auf ein geheimes Zeichen strömten die Besucher dem letzten Wagen hinterher in Richtung Ausgang. Offiziell schloss damit der Park für heute seine Pforten. Ich dagegen mischte mich nicht unter das dicht gedrängte Volk, sondern schlich langsam Schritt für Schritt zu einem dunklen Seitenweg. Nur der Hauptweg wurde noch normal beleuchtet, damit die Besucher ohne Weiteres den Weg zu ihren Autos fanden. Die Seitengassen dagegen waren nur von einer sparsamen Notbeleuchtung schwach erhellt. Da ich inzwischen den Parkplan ausführlich studiert hatte, kannte ich einen Weg, um zum Lighthouse Tower zu gelangen, ohne dafür den Hauptweg benutzen zu müssen. Mittlerweile hatten sich meine Augen gut an die Dunkelheit gewöhnt, dennoch lief ich langsam und vorsichtig stets am Rande des Weges, um mich jederzeit, falls ich wider Erwarten nicht allein sein sollte, blitzschnell in die Büsche schlagen zu können. Der Himmel war so gut wie wolkenfrei und der Schein des abnehmenden oder zunehmenden Mondes – das konnte ich mir nie merken – unterstützte das schummrig gedämpfte Laternenlicht. Da es noch ein wenig dauern würde, bis die letzten Gäste den Park verlassen hatten, rechnete ich noch nicht mit einem Rundgang des Sicherheitsdienstes.
    Zehn Minuten später war die Geräuschkulisse der Besucherschar verebbt. Die Stille und die Dunkelheit waren

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