Erfindergeist
haben uns, wie bereits erwähnt, überlegt, den beteiligten Gruppen eine Falle zu stellen.«
Herr Schleicher trat wieder an das Flipchart heran und umrahmte den symbolischen Kreis, der das Labor darstellte.
»Alle wollen dieses Labor finden, also zeigen wir ihnen den Weg dorthin. Unter diesen Umständen kann ich es nicht verantworten weiterzumachen«, stellte Jacques fest und ergänzte: »Vorher werden natürlich alle brauchbaren Utensilien entfernt. Niemand wird mehr erkennen können, an welchem Projekt gearbeitet wurde.«
»Wie wollen Sie es fertigbringen, die verschiedenen Parteien zum Labor zu locken?«
»Ja, da stehen wir noch vor einem Rätsel«, gab der Parkchef zu.
»Angenommen, die Araber, die Leute vom Verein und eventuell die Russen finden sich im Labor ein. Damit wissen wir noch lange nicht, wer für die Morde verantwortlich ist.«
»Aber, Reiner«, warf Jacques ein. »Wenn ich jetzt mein Labor nicht räume, werden wir niemals herausfinden, wer hinter dem Ganzen steckt. Außerdem ist mein Leben weiterhin in Gefahr, auch wenn Hingstenberg meinte, ich sei zäh wie eine alte Kuh. Ich hänge sehr am Leben. Werner und ich haben vor, alle Verdächtigen an einen Ort zu locken, so wie es auch Agatha Christie am Ende ihrer Romane immer getan hat, um ein Geständnis zu provozieren. Wir haben weder einen Hercule Poirot noch eine Miss Marple, sondern nur einen Reiner Palzki. Und der hat genauso wenig eine Ahnung wie wir, wer der Täter sein könnte. Wenn unser Plan funktioniert, wird der sich jedoch selbst verraten.«
»Da bin ich mal gespannt.«
Herr Schleicher zeichnete die Umrisse des Labors auf ein neues Blatt. »Hier, im vorderen Teil des Labors, steht in der Raummitte der vermeintliche Versuchsaufbau. Herr Palzki, Sie hatten bereits die Gelegenheit, ihn zu bestaunen.«
»Das war kein echter Versuch?«
Jacques lachte. »Mit diesem Ding kann man höchstens Tee aufgießen.«
Der Parkchef fuhr fort. »Sobald alle Beteiligten den Raum betreten haben, schnappt die Falle zu. Jacques hat sich dafür etwas Einzigartiges einfallen lassen.«
Jetzt wurde ich neugierig. Ich kannte schließlich den Erfindungsreichtum meines Freundes. Doch das, was er uns jetzt erklärte, machte mich sprachlos. Wenn dieser Plan funktionierte, würde Dietmar Becker Schwierigkeiten haben, das Geschehen glaubwürdig in seinem nächsten Roman unterzubringen. Das Vorhaben barg zudem beträchtliche Risiken. Auf keinen Fall durfte ich davon etwas bei KPD verlauten lassen. Lediglich ein paar Kollegen würde ich informieren, das dürfte genügen.
»Wie findest du meine Idee?«, fragte mich der etwas zappelig wirkende Erfinder, nachdem er seine Ausführungen beendet hatte. »Damit würden wir uns selbst im Hinblick auf unseren letzten Fall übertrumpfen.«
Mir fiel auf, dass er ›unseren Fall‹ gesagt hatte. Er und Becker waren mir bei der Auflösung der Verstrickungen um den Arzneimittelskandal tatsächlich sehr behilflich gewesen.
»Gut«, nickte ich langsam. »Das könnte funktionieren. Das Problem, die verschiedenen Gruppen in die Falle zu locken, haben wir allerdings immer noch nicht gelöst.«
Nun drängte sich der Student in den Vordergrund. »Das ist doch ganz einfach, Herr Palzki!«
Verwundert blickten wir ihn an.
»Bei den Mitgliedern des Vereins kann ich offiziell als Journalist auftreten. Ich fahre bei Hannah Kluwer, Gottfried Müller und ein paar anderen vorbei. Beiläufig erzähle ich ihnen dann, natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit, dass morgen Abend nach Parkschluss in der Burg Falkenstein ein wichtiges Experiment durchgeführt wird. Bei den Geheimdienstleuten kann ein anonymer Anruf helfen. Natürlich keinen Anschluss benutzen, den man zurückverfolgen kann.«
»Das Telefonat kann ich übernehmen«, bot Herr Schleicher an. »Wie gehen wir bei Petrow und Pawlow vor?«
»Auf keinen Fall beide informieren, das wäre zu auffällig, falls sie zusammenarbeiten. Vielleicht kann Ihr Pressesprecher mit Pawlow ins Gespräch kommen und sich zufällig verplappern.«
»Das wäre eine Möglichkeit«, stimmte der Parkchef zu. »Gut, meine Herren. Damit wäre für heute alles geklärt. Wir treffen uns morgen Nachmittag in meinem Büro zur letzten Einsatzbesprechung. Danach können wir nur noch hoffen, dass das Glück auf unserer Seite ist.«
14. In der Falle
Es war früher Abend, als ich zu Hause ankam. Stefanie saß in der Küche und weinte.
»Was ist passiert? Ist etwas mit dem Kind?«
»Nein, Reiner, mit den
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