Erfindung der Violet Adams
gestellt, und jetzt lag es an Violet, sie zusammenzubauen.
Was sie ein paar Tage später tat. Violet und Cecily beugten sich über den fertigen Motor, atemlos vor Erwartung. Das Endprodukt sah nicht besonders eindrucksvoll aus: eine bronzene Kugel von der Größe eines Kopfes. Aus einem Ende kam ein Schlüssel mit Aufziehwelle und aus dem anderen ein Stab mit einem Getriebe. Cecily hielt eine Taschenuhr in der Hand und sah auf das Zifferblatt. Mit einem Nicken drehte Violet den Schlüssel dreimal herum und trat einen Schritt zurück. Der Motor begann leicht zu ticken und zu klappern, rollte aber nicht von seinem Ständer.
Cecily legte kurz die Hand darauf. »Er erzeugt Vibrationen«, sagte sie träumerisch.
»Natürlich tut er das«, antwortete Violet. »Er arbeitet wie eine Uhr: Alle Teile drehen sich zusammen, während ein Pendel vor und zurückschwingt.«
Sie beobachteten den Motor noch eine Weile. Nach zwanzig Minuten zeigte er immer noch keine Anzeichen, langsamer zu werden, und Violet holte weitere Getriebe heraus, um sie für den Rest der Maschine zusammenzubauen. Cecily maß weiter die Zeit, wie der Motor lief. Als die Unterrichtsstunde vorbei war, nahm Violet ihn mit auf ihr Zimmer. Er lief auch am nächsten Morgen noch, und am kommenden Abend nahm Cecily ihn mit. Er lief fast drei Tage.
»Bei einer Umdrehung läuft er einen Tag«, stellte Cecily verblüfft fest.
»Er kann auch jede andere Maschine zum Laufen bringen«, sagte Violet. »Stellen Sie sich einmal die damit verbundenen Möglichkeiten vor.«
»Bis zu der Ausstellung dürfen Sie niemandem davon erzählen«, flüsterte Cecily. »Sonst werden andere Ihnen in Ihre Arbeit hineinpfuschen und ihn stehlen. Präsentieren Sie ihn erst auf der Ausstellung der Öffentlichkeit, sodass niemand daran zweifeln kann, dass er Ihre Erfindung ist.«
»Das habe ich vor«, sagte Violet.
»Wo wollen Sie ihn bis dahin verstecken?«, fragte Cecily. »Möchten Sie, dass ich ihn nehme?«
»Ich kann ihn in meinem Zimmer aufbewahren«, sagte Violet. »Jack ist vertrauenswürdig.«
»Vielleicht könnten Sie ihn in einem der Lageräume im Keller aufbewahren«, meinte Cecily.
»Nein«, sagte Violet. »Ich war im Keller, er ist mir zu geheimnisvoll, um dort etwas sicher zu lagern. Ich nehme ihn mit auf mein Zimmer.«
»Was meinen Sie mit geheimnisvoll?«
Violet lächelte und holte weitere Teile für ihre Maschine heraus. Während sie sie zusammenbaute, erzählte sie Cecily von ihrer Initiation am ersten Abend. Jetzt, wo sie Cecily auch einmal als Frau getroffen hatte, fiel es ihr schwerer, sich daran zu erinnern, dass ihr Gegenüber sie für einen Mann hielt, und manchmal entglitt ihr die Stimme oder sie wurde nachlässig. Doch sie betrachtete Cecily auch mehr und mehr als gute Freundin. Erst als Cecily gegangen war, erinnerte sie sich daran, dass sie keine gute Freundin von ihr, sondern eine gute Freundin und Bewunderin von Ashton war. Und dann war da noch Violets wachsende Bewunderung für den Duke, eine Bewunderung, von der sie hoffte, dass sie gegenseitig war, obwohl sie sich dessen nicht sicher sein konnte. Schließlich hatte Ashton den Duke geküsst, und jetzt mied der Duke ihn. Aber der Duke mied Violet nicht. Er schrieb ihr Briefe, und statt irgendwelchen Unsinn über Blumen zu schreiben, ging es in ihren Briefen um wissenschaftliche Themen: Es war eine Korrespondenz zwischen zwei großen Denkern. Der Duke schrieb Violet, dass er an einem Prototypen eines Raumschiffs baute und fragte sie nach ihrer Meinung, wie es funktionieren könnte. Sie schickte ihm Skizzen von Teilen, und er schickte ihr seine Korrekturen zurück, von denen sie einige übernahm. Doch er machte keine romantischen Andeutungen in den Briefen. Violet fragte sich, ob er vielleicht schwul war wie der richtige Ashton und Violet nur in der Hoffnung schrieb, die Gunst des falschen Ashton zu gewinnen. Sie sagte sich, dass so etwas in einer intellektuellen Beziehung keine Rolle spielte, doch manchmal merkte sie in seinen Vorlesungen, wie sie an seinen Lippen hing, sich erinnerte, wie weich sie waren, und wie sie sich vorstellte, dass seine Hände ihre Taille umfassten.
Violet brachte den Motor in ihrem Zimmer unter, und Oscar fand richtiggehend Gefallen daran. Er scheuerte sich daran und murmelte liebevolle Obszönitäten. Jack schien das gleichgültig zu sein, doch Jack war sowieso seltsam geistesabwesend in der letzten Zeit. Er war nicht unfreundlich, nur sehr in seine Arbeit vertieft und
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