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Erfindung der Violet Adams

Erfindung der Violet Adams

Titel: Erfindung der Violet Adams Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Rosen
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die Wange und ging, während sie den Brief öffnete und im Gehen las. Ashton seufzte und ließ sich zurück ins Bett fallen.
    »Was war denn das?«, fragte Antony. Doch in Wirklichkeit meinte er: Wird sie jemandem erzählen, was sie gesehen hat?
    »Nichts von Bedeutung, mein Lieber«, antwortete Ashton. »Nichts, worüber du dir deinen schönen Kopf zerbrechen musst.« Ashton beugte sich über Antony und lächelte ihn beruhigend an. Antony lächelte beruhigt zurück.
    Der Duke war alles andere als beruhigt, als er den Aufzug in den Keller der Illyria-Akademie hinunter nahm, um Monster zu jagen. Eine der alljährlichen Traditionen, die er hasste. Es hatte im ersten Jahr nach dem Tod seines Vaters angefangen, im ersten Jahr, in dem er Schulleiter war, als er eines Nachts von einem aufgeregten Klopfen an seiner Tür geweckt worden war.
    Die Hausangestellte, ein junges Mädchen, war blass und zitterte. »Im Keller ist ein Monster, Sir.«
    Nachdem er sich angezogen hatte und in den Keller gegangen war, um die Sache aufzuklären, hatte er dem Mädchen recht geben müssen. Die Kreatur, die durch die Gänge im Keller gekrochen war, konnte man nur mit dem Wort Monster beschreiben. Die Hausangestellte hatte sie gefunden, als sie Mehl aus einem der Vorratsräume hatte holen wollen. Sie hatte die Tür geöffnet, und da hatte sie gestanden und gierig an einem umgeworfenen Sack Zucker geleckt. Wenn sie an irgendetwas erinnerte, dann am ehesten an einen Tintenfisch, dachte der Duke – dunkel und mit vielen Tentakeln, die hinter ihr her schleiften – , doch mit zwei beunruhigend menschlichen Armen, die aus ihrem baumstammartigen Körper herausragten. Über den Tentakeln starrten große, unmenschliche Augen aus ihren Höhlen, und ein riesiger bezahnter Mund krönte ihren Kopf. Sie lag auf dem Boden, war ungefähr so lang, wie der Duke hoch war, und bewegte sich, indem sie sich mit ihren Menschenarmen vorwärtszog wie ein Mann, der dem Verdursten nahe war. Sie war mit Wasser, Mörtel und Dreck bedeckt, als wäre sie durch lange Tunnel hierher gekrochen. Sie hatte den Sack Zucker aufgeleckt und machte sich jetzt über das Mehl her, das das Hausmädchen hatte holen wollen. Als sie den Duke bemerkte, drehte sie sich zu ihm um, öffnete ihr riesiges Maul, zeigte ihm eine Reihe scharfer Fangzähne und zischte. Der Duke sah sie sich genau an, dann zog er mit einer fließenden Bewegung seine Pistole und schoss dem Ungeheuer dreimal in den Kopf. Es sackte tot auf dem Zucker zusammen, rollte über den Boden und blieb vor den Stiefeln des Dukes liegen. Der Duke hatte geschluckt, seinen Brechreiz unterdrückt und zusammen mit ein paar Hausangestellten den Körper verpackt und im Garten verbrannt. Dann verschloss er den Lagerraum und verbot allen, ihn jemals wieder zu betreten. Er sandte weitere Angestellte aus, um den Keller zu durchsuchen. Sie fanden nichts, doch der Duke vermutete, dass sie nicht sehr gründlich nachgesehen hatten. Der Keller war sehr groß – so groß, dass der Duke selbst nicht alle Bereiche kannte und keine Ahnung hatte, woher die Kreatur gekommen sein mochte, und da in den nächsten Tagen keine weiteren auftauchten, ging er davon aus, dass sie alleine gekommen sein musste.
    Der Vater des Dukes hatte viele Geheimnisse gehabt, dass wusste der Duke. Und diese Kreatur könnte eines davon gewesen sein. Sie könnte jedoch auch einfach das Ergebnis eines früheren Experiments von einem der Schüler oder Professoren gewesen sein, eine unbeabsichtigte Mutation eines Tiers, das irgendeine Chemikalie geschluckt hatte und für tot gehalten worden war. Doch für den Duke war sie eher die Verkörperung der Geheimnisse seines Vaters, die durch den Keller nach oben stiegen, um Illyria zurückzuerobern. Und der Duke wusste, dass sein Vater mehr als nur ein Geheimnis gehabt hatte. Deshalb machte er für den Fall, dass noch weitere Kreaturen auftauchten, jedes Jahr, bevor der Unterricht begann, einen Rundgang durch den Keller, eine Laterne in der einen, eine Pistole in der anderen Hand.
    Der Aufzug wackelte, als er im Keller zum Stehen kam, und der Duke trat hinaus. Er stand am Anfang einiger nur schlecht beleuchteter Gänge, die sich mit ihren verrußten Steinen und den schon vor vielen Jahren erloschenen Gaslampen wie ein Labyrinth vor ihm erstreckten. Seit jener ersten Begegnung war der Duke nie mehr auf etwas gestoßen, das seine Pistole gerechtfertigt hätte, und langsam war in ihm das Gefühl gewachsen, dass dies auch nie wieder der

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