Erfindung der Violet Adams
zurrte ihr Gepäck auf dem Dach der Kutsche fest. Es bestand vorwiegend aus Kleidern nach der neuesten Mode, die Mrs Capshaw genäht hatte, und von denen Violet auch eins trug.
»Ich frage mich, wo Mrs Capshaw ihre Federn herbekommt«, sagte Violet, als sie sich in die Kutsche setzte. Antony schloss die Wagentür hinter ihnen.
Jack sah sich den Hut an. »Fasanenfedern«, meinte er. »Von einem ziemlich großen Tier nehme ich an.«
»Ist alles vorbereitet?«, fragte Ashton leise. Er war sichtlich nervös angesichts ihres Plans. Jack und Violet würden sich am nächsten Tag in der Akademie einschreiben, und das Schuljahr würde beginnen. Ashton hatte bereits mehrere Anzüge und Hemden in Violets Größe gekauft, und Violet kam gut mit ihrer Verkleidung zurecht. Im ersten und zweiten Jahr mussten die Schüler sich zu zweit ein Zimmer teilen, daher hatten Jack und Violet beide an den Duke geschrieben und die Bitte geäußert, zusammen in einem Zimmer wohnen zu dürfen, und der Duke war dieser Bitte nachgekommen.
»Es wird alles gut gehen, Bruderherz«, sagte Violet seufzend. Sie waren den Plan unzählige Male durchgegangen. Sie wollte sich jetzt auf den Spaß konzentrieren, den sie als Schülerin haben würde, und nicht auf den Stress, der mit ihrer Verkleidung verbunden war.
»Wir treffen uns jeden Sonntag im Haus«, erklärte Jack, der Ashtons Nervosität spürte, ein weiteres Mal. »Violet wird einen Brief für Mrs Wilks mitbringen, und du wirst ihn aufgeben. Er wird Mrs Wilks davon abhalten, unangemeldet in der Stadt aufzutauchen. Aber Hallo – , mir ist gerade etwas eingefallen. Wenn wir in den Ferien nach Hause fahren, wird Mrs Wilks dann nicht erwarten, dass Violet ihre neue Zofe mitbringt?«
»Ich werde einfach sagen, dass ich ihr über die Feiertage frei gegeben habe«, entgegnete Violet.
»Das mag an Weihnachten funktionieren«, sagte Ashton besorgt, »aber nicht immer. Das ist ein Problem.« Er begann, an seiner Weste herumzuspielen.
Violet hasste diese nervöse Angewohnheit von ihm. Sie dachte über die Sache nach. »Wir engagieren eine Schauspielerin«, schlug sie vor, »erklären ihr die Situation und lassen sie meine Zofe spielen. Wir bezahlen sie gut, und sie kann es sich auf einem netten Landsitz gut gehen lassen. Sie muss nicht mehr können, als mir die Haare hochzustecken. Die meisten Schauspielerinnen haben schon schlechtere Engagements gehabt.«
»Es soll Schauspielerinnen geben, die mehr sind als Strichmädchen auf einer Bühne«, sagte Ashton verstimmt.
»Das hoffe ich doch sehr«, sagte Violet »denn sie muss Mrs Wilks überzeugen. Doch wie dem auch sei, darüber müssen wir uns nicht jetzt den Kopf zerbrechen.«
»Nein«, stimmte Ashton zu, »nicht wenn es noch so viel anderes gibt, worüber wir uns Gedanken machen müssen.« Violet seufzte und lehnte sich in das Polster zurück. Während der ganzen Fahrt ging Ashton ihren Plan mit ihnen durch: Welche Regeln es zu befolgen galt, wie sie miteinander Kontakt halten wollten, wie Violet sich zu verhalten hatte, um als Mann glaubwürdig zu sein, woran sie noch arbeiten musste, und was in dem Fall zu tun war, dass jemand ihr Geheimnis entdeckte, was vermutlich auf Bestechung hinauslaufen würde. Violet und Jack hörten zu und antworteten geistesabwesend, da es sie vielmehr beschäftigte, wie es sich wohl anfühlen würde, Schüler in Illyria zu sein.
Aus unerfindlichen Gründen war es weitaus erschreckender, die Akademie als angenommener, denn als potenzieller Schüler zu betreten. Das mochte daran liegen, dass man sich jetzt ein Urteil über sie bilden würde oder dass das, was zunächst nur eine lächerliche Idee gewesen war, sich nun zur Frucht eines Plans entwickelt hatte, die schwer an ihrem Ast hing und jeden Moment hinunterfallen konnte, um nichts als zerbrochene Rinde, Fruchtfleisch und Saft übrig zu lassen.
Sie schluckte.
»Daran ist jetzt nichts mehr zu ändern«, sagte Jack, nahm ihren Arm und führte sie durch den Garten in die Akademie. Andere Schüler liefen an ihnen vorbei oder waren zur Seite getreten, um die Blumen zu bewundern, bevor sie hineingingen. Jeder von ihnen trug seinen besten Anzug und eine Krawatte und hatte die Haare ordentlich frisiert. Hinter ihnen vollführten Träger und Diener einen hektischen Tanz, um das Gepäck von den Kutschen der Schüler in die Schule zu tragen.
Die Große Halle, in der sich die Schüler versammelten, war genau so eingerichtet wie bei den Bewerbungsgesprächen, doch diesmal
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