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Erfindung der Violet Adams

Erfindung der Violet Adams

Titel: Erfindung der Violet Adams Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Rosen
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der Schüler im letzten Jahr behauptet hatte, sondern für die Bestimmung der Menschheit. Mit vor Rührung feuchten Augen beendete er seine Rede und bat seine Schüler, mit ihm und untereinander zusammenzuarbeiten und Geduld mit sich zu haben. Sie konnten schließlich nicht erwarten, an ihrem ersten Tag eine eigene Isabella zu erschaffen. Es war eine wundervolle Vorlesung, fand Valentine, und sie war kurz, da sie nur zweieinhalb Stunden dauerte und noch anderthalb Stunden ließ, um die Laborregeln durchzusprechen, Fragen zu beantworten und mit den ersten Aufgaben zu beginnen.
    Violet, die Isabella in ihrem Käfig bestaunte, fand, dass sie sehr traurig aussah. Ihre Federn hingen herunter und schienen zu schwer für ihren Körper, und ihre Augen waren von einem trüben Film überzogen, den sie bisher nur bei sehr alten Leuten und Hunden gesehen hatte. Doch Jack schien von ihr beeindruckt, vor allem von den gurrenden Lauten, die sie ausstieß, wenn jemand ihren Schlund streichelte, sodass Violet davon ausging, dass der singende Miniaturpfau wirklich eine Meisterleistung war.
    Bei allem Respekt Isabella gegenüber fiel es Violet schwer, die Augen offen zu halten. Sie waren gestern Abend länger im Keller gewesen, als sie gedacht hatte. Als die kleine Wanduhr sieben geschlagen hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, eben erst die Augen zugemacht zu haben, und kaum Zeit gehabt, ihren Anzug anzuziehen und zu frühstücken, bevor sie in das Biologielabor gerannt war. Jack schien dagegen äußerst dynamisch. Violet fragte sich, ob er irgendeinen Trick kannte, um mehr Schlaf zu bekommen als sie oder ob er nur aufgeregt war, weil dieses Labor zu seinem zweiten Zuhause und der Dandy mit den etwas zu roten Wangen, der gerade die richtige Art erklärte, ein Skalpell zu säubern, sein neuer Mentor werden sollte.
    »Und, haben Sie Fragen?«, erkundigte sich Valentine, nachdem er den Schülern den Platz für jedes Werkzeug und Gerät gezeigt hatte – die Messer hierhin, die Federn dorthin, die Flaschen mit Blut in das Regal über der Kiste mit den zusätzlichen Knochen. Merriman hob die Hand. Valentine schürzte die Lippen und nickte. Der junge Bursche war von kleinem Wuchs, rundlich und der Typ Mann, mit dem Valentine lieber nicht sprach, wenn es sich denn umgehen ließ.
    »Werden wir mit Pflanzen arbeiten, Sir?«, fragte Merriman.
    »Mit Pflanzen?«, sagte Valentine und führte einen Finger zum Kinn. »Nun ja, die meisten Aufgaben werden aus der Tierwelt und nicht aus der Botanik sein, und wenn Sie erst weiter sind, werden wir uns mit Arbeiten auf Zellebene beschäftigen, doch wenn Sie versuchen möchten, beides zu kombinieren … nun ja, eine Taube mit Rosenblättern anstelle von Federn wäre sehr schön. Das dürfte im Moment Ihre Kenntnisse wahrscheinlich übersteigen, aber es wäre ein denkbares Ziel.«
    »Entschuldigen Sie, Sir«, fuhr Merriman fort, »aber ich meinte nur Pflanzen. Zum Beispiel die Züchtung von Getreide mit kürzeren Halmen, sodass es nicht so schnell umknickt. Es ist so, dass mein Vater Gärtner ist, deshalb habe ich mich gefragt … «
    »Nein«, unterbrach ihn Valentine mit bebenden Nasenflügeln, »mit so etwas werden wir uns nicht beschäftigen. Überlassen Sie die Kreuzungen den Mönchen. Wir sind Wissenschaftler.«
    »Natürlich, Sir«, murmelte Merriman und blickte auf den Tisch hinunter.
    »Wie sieht es mit menschlichen Leichen aus?«, fragte Jack, ohne die Hand zu heben.
    »Mit menschlichen Leichen?«, hakte Valentine nach. Jack nickte. »Nun ja, uns steht auf Abruf ein Totengräber zur Verfügung, wenn Sie sich zur Arbeit am menschlichen Körper entschließen, doch ich persönlich habe es immer als ein wenig … widerwärtig empfunden, Leichen anzufassen. Das müssten Sie dann schon in Ihrer Freizeit machen.« Jack nickte erneut.
    Anschließend erklärte Valentine, dass ihre erste Aufgabe darin bestehen würde, eine Laborratte mit Schlangenhaut zu kreieren. »Das ist eine wirklich poetische Aufgabe«, erläuterte Valentine. »Die Beute wird eins mit ihrem Jäger.« Valentine stellte einen Käfig mit quiekenden weißen Ratten auf einen der Tische und legte einen Stapel Schlangenhaut auf einen anderen. Die Ratten, die die Haut ihrer Jäger rochen, wurden panisch und flüchteten in die am weitesten von den Häuten entfernte Ecke des Käfigs, der durch das Schaukeln leicht in Richtung Tischrand rutschte. »Nehmen Sie so viele Ratten und so viel Schlangenhaut, wie Sie brauchen«, sagte Valentine. »Ich

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