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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Liebe erregt. Als er schließlich starb, wollte das Volk nicht daran glauben. Die Zeitungen, die Schullesebücher erklärten, der König habe sich im Wahnsinn ertränkt, in einem See in der Nähe Münchens. Aber das, glaubte das Volk, war nur Gerede der Gegner, die sich des Throns bemächtigten. Immer dichterer Mythos spann sich um den Toten. Seine Feinde, hieß es, an ihrer Spitze der das Land verwesende Prinzregent, hielten ihn in einem Kerker verborgen. Hartnäckig behauptete sich das Gerücht. Überlebte den Tod des Prinzregenten, Krieg, Revolution, überlebte den Tod des abgesetzten Königs Ludwig III. Die Riesengestalt des zweiten Ludwig, rosiges Gesicht, schwarzer Knebelbart, Locken, blaue Augen, lebte in der Phantasie des Volkes. Zahllose Bilder des Königs, in Purpur und Hermelin, in strotzender Uniform, silbern gerüstet in einem schwangezogenen Kahn, hingen herum in den Stuben der Bauern und der Kleinbürger, neben Öldrucken von Heiligen. Der stattliche König hatte es dem Alois Kutzner von Jugend auf angetan; oft, vor einem Bild des riesigen Königs stehend, hatte er überlegt, was für ein herrlicher Boxer dieser Wittelsbacher hätte werden können. Ein Monument hatte er ihm errichtet in seinem Herzen. Wie nun leuchtete er auf, als die Buben ihm Andeutungen machten, ja, dieser zweite Ludwig lebe noch, man habe Spuren und Indizien, in welchem Verlies er gefangengehaltenwerde. Nicht ab ließ er mit Bitten, Beschwörungen, bis er aus den zögernden Buben langsam mehr herausquetschte. Unter der Monarchie, erfuhr er, sei es ausgeschlossen gewesen, an die Befreiung des Königs zu denken. Jetzt, nachdem Gott die Regierung der Juden und der Bolschewiken zugelassen habe, schlage den Kerkerwächtern das Gewissen. Jetzt dürfe man an die Befreiung des echten Königs denken. Wenn der auftauche, dann werde das geknechtete Volk sich für ihn erheben, daß er es erlöse aus der Knechtschaft Judas. Der König sei alt, uralt, er habe einen mächtigen, weißen, wallenden Bart; seine Brauen seien so gewaltig, daß er sie mit Silberstäbchen festhalten müsse, damit sie ihm nicht über die Augen fielen. Zur Zeit, wie gesagt, sei der Versuch seiner Befreiung nicht aussichtslos. Er möge sich überlegen, ob er bei der Sache mittun wolle; sie erfordere Kühnheit, Manneskraft, sehr viel Geld.
    Das also hatten die Buben dem Alois Kutzner auseinandergesetzt. Es hatte ihn tief aufgerührt, hier sah er das innere Licht, auf das er so lange gewartet hatte. Und während droben auf der Kanzel der Jesuit von der Sünde der Wollust predigte, richtete Alois Kutzner inbrünstig seine Gedanken auf Gott, ihn demütig bittend, er möge ihn würdigen, an der Befreiung des Königs teilzuhaben, und eventuell das Opfer seines Lebens für das Gelingen des Werkes annehmen.
    In tiefem Sinnen dann verließ Alois Kutzner, als die Predigt zu Ende war, die Kirche. Kräftig, wenn auch verträumt, verteilte er Stöße nach rechts und links in die sich drängende Menge. Die Erregung der Leute, die ihre Meinung über die Predigt auf mannigfache Weise kundgaben, griff nicht auf ihn über. Einige nämlich waren nicht einverstanden mit dem Prediger, ja, sie erklärten seine Ausführungen schlechthin für Schweinerei, fanden, man solle lieber für billiges Brot sorgen statt für billige, fromme Sprüche. Dies veranlaßte die Frommen, den Gottlosen mit ihren Fäusten und ihren griffesten Messern zu zeigen, was Anstand ist. Polizei schlichtete endlich den Streit der Meinungen. Auch gegen die Insarowa richtetesich die fromme Erregung. Sie geriet, von einem Spaziergang im Englischen Garten kommend, in die Menge aus der Kirche. Sie drückte sich an die Mauer, glitt weiter mit ihren klebenden Schritten, ließ unter kurzem Rock dünne, hübsche Beine sehen. Eine alte, verhutzelte Frau stellte sich ihr in den Weg, bellte zahnlos auf sie ein, spuckte aus, fragte, ob sie dreckige Mistsau denn überhaupt keinen Rock zu Hause habe. Die Insarowa verstand nicht recht, wollte der Alten ein Almosen geben, das Volk, besonders die Frauen, nahm gegen sie Partei, mühsam rettete sie sich in einen Wagen.
    Der Boxer Alois Kutzner indes, auf all dies nicht achtend, begab sich nach der Rumfordstraße, wo er zusammen mit seiner Mutter dürftig wohnte. Die Mutter, ausgedörrt, gelbhäutig, wie viele Bewohner der Hochebene mit tschechischem Einschlag, war geschwellt von stolzer Liebe für ihre beiden Söhne. Sie las beglückt von den Erfolgen ihres Sohnes Rupert in der großen Politik

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