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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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und von den Erfolgen ihres Sohnes Alois im Ring. Aber sie war mürb von Alter, Sorgen, unaufhörlicher Arbeit, ihr Gedächtnis versagte, sie warf die Erfolge ihrer beiden Söhne durcheinander, fand sich zwischen Kinnhaken, Poincaré, deutschblütiger Gesinnung, Punktsiegen, Juda und Rom, Knockouts nicht mehr zurecht. Alois, während die Mutter das Essen fertigmachte, half ihr den Tisch decken mit bunten Tellern und Schüsseln mit dem bekannten Enzian- und Edelweißmuster der Süddeutschen Keramiken. Es gab zu Kartoffelgemüse Geselchtes , stark geräuchertes Fleisch. Das war ein großer Leckerbissen in jenem dürftigen Jahr, und es hatte sich ein Verwandter eingefunden, der solche Leckerbissen kilometerweit zu riechen pflegte, der Onkel Xaver. Der Onkel Xaver war ein wohlgestellter Handelsmann gewesen. Hatte mit studentischen Utensilien gehandelt. Abzeichen, Mützen, Apparatur des Fechtbodens, mit Uhranhängseln und derb obszönen Ansichtskarten. Hatte sich mit einem guten Brocken Geld zur Ruhe gesetzt. Aber die Sintflut der Inflation hatte diesen Brocken Geld ins Nichts geschwemmt. Onkel Xavers Hirn war dem nicht gewachsen.Jetzt häufte er wichtig die wertlosen Geldscheine, schlichtete sie, bündelte sie. Lief beflissen in die Häuser der studentischen Verbindungen, wollte mit seinem hochbezifferten Papier große Geschäfte tätigen. Die Studenten, an den Alten gewöhnt, gingen spaßhaft auf ihn ein, machten auch sonst Jux mit ihm. Er war gefräßig geworden, fraß und schlang, was ihm unter die Hände geriet. Die Studenten, bemützt, mit zerhackten Gesichtern, hatten ihren Spaß an seiner Idiotie, warfen ihm Speisereste hin, ließen ihn apportieren, johlten und klatschten, wenn er sich mit ihren Hunden um Knochen herumbalgte.
    Die drei Menschen, die Mutter Kutzner, der Onkel Xaver, der Boxer Alois, aßen friedlich zusammen das Geselchte und das Kartoffelgemüse. Sie sprachen zueinander, aber sie hörten kaum aufeinander hin und erwiderten sich nur halbe Sätze. Denn sie dunsteten ein jeder in seinen eigenen Gedanken. Der Onkel Xaver dachte an die riesigen Transaktionen, die er morgen zu Ende führen wird, die Mutter Kutzner an eine Mahlzeit vor langen Jahren, bei der es auch Geselchtes gegeben hatte. Damals war ihr Sohn Rupert noch klein gewesen, und bei jenem Geselchten hatte man ihn vergeblich erwartet. Er hatte nämlich einem Schulkameraden hinterrücks ein Bein gestellt, daß der hinschlug und sich schwer verletzte, und dann war der Rupert davongelaufen und hatte sich nicht nach Haus getraut. Schließlich aber, als ihn sehr hungerte, kam er doch nach Haus. Und jetzt also war er ein so großer Mann, daß er den Franzosen Poincaré knockout schlug. Der Boxer Alois aber dachte an die Befreiungsaktion für den König Ludwig II. So saßen sie zusammen, sprachen bedächtig, aßen, bis auf dem Grund der Schüsseln und Teller Enzian und Edelweiß sichtbar wurden.
13
Bayrische Patienten
    Der Schriftsteller Dr. Lorenz Matthäi besuchte den Schriftsteller Dr. Josef Pfisterer. Der hatte einen Schlaganfall erlitten, siechte hin, es war unwahrscheinlich, daß er das Jahr überleben werde. Der Dr. Matthäi, auf dem Weg, grübelte darüber, wie wenig widerstandsfähig im Grund seine kräftigen Bayern waren. Der saftige Pfisterer war soweit, den riesigen Klenk hatte es auch, und er selber, Matthäi, stak nicht in der besten Haut.
    Er fand den Pfisterer in einem alten, großen Ohrenstuhl, trotz der Hitze eine Kamelhaardecke um die Beine; der rötlich melierte Bart, die dicken Locken sahen grau und schmutzig aus. Der Dr. Matthäi bemühte sich, sein bissiges Mopsgesicht, seine grobe Stimme teilnahmsvoll zu sänftigen. Die runde, betuliche Frau Pfisterer ging auf und ab, schwatzte, heischte Stärkung ihrer Hoffnung, Mitleid. Dem Pfisterer paßte diese gedämpfte Krankenstubenstimmung nicht. Er glaubte nur halb an das, was die Ärzte sagten. Selbst der kluge, scharfe Dr. Moritz Bernays, der vertrauenswürdigste Internist der Stadt, konnte ihm mit all seiner klaren Analyse nichts weismachen. Es war nichts Physiologisches, was ihn umwarf. Der wirkliche Grund – der Pfisterer konnte ihn nicht in Worte fassen, aber er spürte ihn, er war da, besonders in der Nacht, wenn er allein mit sich selber spann und sinnierte –, der wirkliche Grund war die schlimme Erkenntnis, daß er sich bis zu seinem fünfundfünfzigsten Lebensjahr geirrt hatte, daß Ungerechtigkeit in seinem Land war und daß überhaupt die Welt nicht so gemütlich war,

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