Erfolg
Gegenteil für gut wie er selber. Deutlich in jeder Maßnahme, die er vorschlägt, zeigt sich eine demonstrativ partikularistische, gegen die leise Klenksche Politik gerichtete Tendenz. Der Klenk hörte den vorsichtigen, umwegigen Worten seines Referenten nur mit halbem Ohr zu. Angestrengt überlegte er: Was will der Kerl eigentlich. Warum zum Beispiel ist er gegen die Begnadigung des Krüger? Das wäre doch die einfachste Art, um dieses Wiederaufnahmeverfahren herumzukommen. Der begnadigte Krüger ist auf alle Fälle erledigt. Der Hartl redet weiter. Der Kranke, heftig, mit aller Schärfe, denkt nach. Aha, hat ihm schon, jetzt riecht er den Fuchs. Der spitzt darauf, daß das Kabinett während seiner Krankheit den Kurs wieder herumschmeißt, wieder die frühere, schreimäulige Politik macht, daß der gesunde Flaucher den kranken Klenk ausbootet. Er sorgt vor, der Herr Hartl, empfiehlt sich beizeiten als Nachfolger, als auf den Tisch hauender, die bayrischen Belange wahrender Justizminister. Der Klenk wütet: Soweit sind wir noch lange nicht, mein Lieber. Aber jetzt nichts merken lassen, jetzt gescheit sein. Er hört sich den ganzen Schmarren des Hartl ruhig an, erwidert sachlich, bedachtsam. Nichts wird laut davon, daß er etwas gespannt hat. Es ist eine höfliche, fast herzliche Unterhaltung zwischen dem Minister und seinem Referenten.
Er ist recht mitgenommen, wie der Hartl ihn verläßt. Diese verfluchte Russin. Ach, jetzt seine Ruhe haben. Die Augen zumachen und an nichts denken als höchstens an einen Wald im Gebirg, wenn man auf Anstand hockt. Aber das kann er sich nicht leisten. Denn jetzt kommt der BaronToni Riedler. Sie werden maßlos frech, die Burschen von der Patriotenpartei; er kann das nicht länger anstehen lassen. Seitdem er krank ist, scheißen sie ihm auf den Kopf. Die ganze bayrische Politik ist schon herumgeworfen durch diese damische Nierengeschichte. Der Flaucher und sein Protegé, der Rupert Kutzner, der Hohlkopf, regen sich, mandeln sich auf.
Wo soeben der Hartl gesessen war, saß also jetzt der Toni Riedler. Breit, in seiner ganzen, etwas rohen Eleganz, lächelte er unter seinem Schnurrbart, schaute den Kranken an, selbstbewußt, aus höhnischen Augen, deren Weiß ins Bräunliche spielte. Klenk spürte, daß sein Kopf wenig klar war, seine beste Zeit am Tag war vorbei. Bloß nicht durchgehen. Bloß keine Dummheiten reden.
Der Toni Riedler sprach von einer Jagdpartie am vergangenen Samstag; es sei schade, daß der Klenk nicht mitgewesen war. Klenk trank an seiner Limonade. Er wisse genau, sagte er, wie sehr seine Krankheit den Herren zupaß komme. Aber sie sollten sich nicht zu fest darauf verlassen, es nicht gar zu üppig treiben. Es sehe stark so aus, als werde er nächste Woche wieder im Amt in seinem Arbeitszimmer sitzen. Zur Not ließen sich auch hier vom Bett aus Weisungen geben. Er wollte noch mehr sagen, Stärkeres, aber es fiel ihm nichts ein. Das verdammte Weibsstück, die Insarowa. Es war eine Ungerechtigkeit, ihm hatte sie zu einer Nierenattacke verholfen, und der Riedler, dieser Bursche, den sie ohne weiteres ins Bett gelassen hatte, saß da und frotzelte ihn.
Er begreife nicht, sagte Toni Riedler, wohin Klenk steuere. Jedes Kind sehe, daß die Wahrhaft Deutschen Wind in den Segeln hätten. Ganz München, das ganze Land laufe dem Kutzner zu. Das sei doch auch gut so. Er verstehe die Taktik Klenks nicht, jetzt abzublasen. Wenn der Riedler diese Taktik nicht verstehe, erwiderte Klenk, liege das nicht an der Taktik. Er wiederhole ihm nochmals, man werde seine Sportverbände nur dann als Sportverbände anschauen, wenn sie nicht militärisch provokant aufträten. »Was heißt: nicht militärischprovokant auftreten?« fragte mit langsamer, ironischer Höflichkeit der Baron Riedler. »Das heißt zum Beispiel, daß sie keine Paraden in Kolberhof abhalten«, erwiderte höflich Klenk. »Und was den Major von Guenther anlangt, so muß der verschwinden.« – »Ich kenne keinen Major von Guenther«, sagte Toni Riedler und sah den Klenk haßerfüllt an. »In drei Tagen muß er über der Grenze sein«, befahl Klenk. »Sagen Sie ihm, ich habe seinen Fall jetzt studiert. Sagen Sie ihm, ich halte ihn für einen Schisser. Sagen Sie ihm, wenn es nicht wegen der guten Sache wäre, ließe ich ihn nicht über die Grenze. Bestellen Sie ihm das von mir und eine schöne Empfehlung.« – »Und wenn er nicht in drei Tagen über der Grenze ist«, sagte höhnisch Toni Riedler, »dann lassen Sie
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