Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
hindurch. Geriet in die Hände von nicht einwandfreien Finanzleuten, verstrickte sich in dunkle Geschäfte. Fiel Kollegen, Bekannten, Vorgesetzten auf durch befremdliche Äußerungen, wunderliche, kleine Angewohnheiten. Erschreckte sie durch unvermittelte Ausbrüche heftiger, anscheinend grundloser Erregung. Erhielt einen Urlaub von einem Jahr, den er in strenger Einsamkeit verbrachte, in einer abgelegenen Hütte, in äußerster Primitivität. Damals wohl, aber dies erwähnte der Arzt nicht, war »Josef und seine Brüder« entstanden. Zurückgekehrt, ließ Brendel-Landholzer eine merkwürdige, karikaturistische Zeichnung kursieren, eine Art »Jüngstes Gericht«. Der Direktor seiner Abteilung, Kollegen waren auf dem Blatt deutlich erkennbar, obszöne und unflätige Funktionen ausübend. Die Betroffenen, um ihn zu schonen, reagierten nicht. Er schickte ihnen Briefe, in denen er sie in einem sonderbaren Gemisch aus amtlichen Floskeln und volksmäßigen, höhnischen Versen vor Gericht lud. Als er schließlich am Schwarzen Brett seines Amtsgebäudes ein Manifest anschlug, in dem er den Verkehrsminister und den Justizminister aufforderte, sich mit ihm im Rahmen eines öffentlichen Diskussionsabends über die Erbsünde, das Patentwesen und den Fahrplan auseinanderzusetzen,konnte an seiner Gestörtheit kein Zweifel mehr sein.
    Kaspar Pröckl hatte, seitdem er um die Internierung des Malers Landholzer wußte, ab und zu an weit verbreitete Schauergeschichten denken müssen, die davon erzählten, wie Leute aller Art bei völliger Gesundheit von Interessierten in Irrenhäusern festgehalten würden. Insbesondere war er nicht losgekommen von einem in München hartnäckig kolportierten Gerücht, daß der antiklerikale, im Irrenhaus verstorbene Schriftsteller Panizza, ein sehr begabter, dem offiziellen Bayern mißliebiger Dichter, zu Unrecht interniert gewesen sei. Jetzt, als Dr. Dietzenbrunn Kaspar Pröckl das Manifest des Malers Landholzer überreichte, das die Unterschrift trug »Fritz Eugen Brendel, Statthalter Gottes und der Eisenbahn zu Wasser und zu Lande«, konnte Pröckl nicht mehr zweifeln, daß die Internierung des Mannes mit gutem Grund erfolgt war.
    Der Arzt erzählte, wie sich seither die Symptome von Verfolgungswahn an Fritz Eugen Brendel mehrten. Er habe etwa geglaubt, man schieße ihm ins Fenster, wolle ihn vergiften, ihm mittels Elektrizität die Magensäure, das Rückgrat auswechseln. Heute stelle sich das Krankenbild als stille Schizophrenie dar, in einem frühen Stadium, das sich erfreulich langsam weiterentwickle. Dr. Dietzenbrunn war aufgestanden, storchte in der weißen Stube auf und nieder, sprach ausführlich mit vielen psychiatrischen Fachworten.
    Endlich führte er Kaspar Pröckl zu dem Kranken. Des Ingenieurs Mund war trocken, seine Knie schwach, er war gereizt in allen Poren vor Spannung, wie er nun den Mann sehen sollte.
    Der Mann saß in einer Ecke und starrte die Kömmlinge aus gesenktem Kopf mißtrauisch und finster an. Als sie sich näherten, drückte er sich noch mehr in die Wand hinein, senkte noch tiefer den wirrhaarigen Schädel. Der Arzt schwatzte schnell und in zuversichtlichem Ton auf ihn ein; aber der Mann gab nur kurze, ablehnende Erwiderungen mit einerharten, ziemlich hellen Stimme. Unerwartet, auf die Frage, ob er heute morgen schon Schmerzen gehabt habe, brach er los. Dr. Dietzenbrunn wisse doch, daß man sich alle möglichen Experimente mit ihm erlaube, daß man ihn durch elektrische Strömung an den Füßen kitzle, ihm die Zähne prickle, ihm durch Fernübertragung Geruch von Leichen, von Gespienem, von Schnaps in die Nase führe, Haut und Fleisch habe man ihm künstlich abgetötet, so gut wie abgeschält. Lege er die Hand auf den Tisch, so sei es, als ob er mit den bloßen Knochen das Holz berühre. Kaspar Pröckl konnte den Inhalt seiner Worte kaum aufnehmen; er starrte ihn nur immer an, das Bild des Mannes eintrinkend, das hagere Gesicht mit dem schwarzen, verwahrlosten Bart, der fleischigen Nase, den tiefliegenden, brennenden, sonderbar zerstörten Augen.
    Ebenso plötzlich, wie er begonnen hatte, hörte der Maler Landholzer auf zu sprechen, musterte nun seinerseits sorgfältig Kaspar Pröckl. Schaute ihn an, eifrig, unablässig, von unten her, mit seinen wilden, tiefliegenden, verlorenen Augen, überaus mißtrauisch. Plötzlich stand er auf, ging auf Kaspar Pröckl zu, ganz nahe an ihn heran. Kaspar Pröckl war kein feiger Mensch, dennoch spürte er großes Verlangen,

Weitere Kostenlose Bücher