Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
dringlich nahe vor den jetzt sitzenden Kaspar Pröckl. »Sie wollen also meine Bilder sehen«, sagte er. »Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß das nicht ganz ungefährlich ist. Ich kann den Menschen die Herzkammer aufmachen auf siebentausend Jahre. Ich weise darauf hin, daß ich schon Menschen ins Klosett versenkt habe. Es ist durchaus möglich, daß ich Sie, wenn Sie aus kalter Neugier kommen, ins W. C. verfahre. Dann haben Sie wenig Aussicht mehr beim Jüngsten Gericht.« KasparPröckl sagte: »Ich möchte mir meine Pfeife anstecken, bevor ich Ihre Bilder anschaue.« Diese Erwiderung gefiel offenbar dem Maler Landholzer. Er werkte, während Kaspar Pröckl die Pfeife anzündete, an den Bildern herum, die, den Rücken zum Beschauer, an den Wänden standen. Aus Schränken, Truhen holte er große, verschnürte Packen heraus. Holte auch mittels eines umständlichen Mechanismus Packen herunter, die von der Decke hingen. Zuletzt, listig die Finger hebend, kniete er nieder, und es zeigte sich, daß er auch unter einem Brett des Fußbodens einen Ballen mit Zeichnungen verwahrt hielt. Es war, als quölle das ganze Zimmer von den Visionen des Malers Landholzer. Nachdem er die Packen alle nebeneinandergeschichtet hatte, setzte er sich nieder. Machte keinerlei Miene, sie aufzuschnüren. »Wollten Sie mir nicht die Bilder zeigen?« sagte Kaspar Pröckl nach einer Weile. Der Maler Landholzer bedeutete ihm verschmitzt Ruhe, untersuchte die Türen, ob sie geschlossen seien, die Fenster, drehte die Packen hin und her. Löste endlich die Schnur des ersten Ballens.
    Was der Ingenieur Kaspar Pröckl nun zu sehen bekam, behielt er sein ganzes Leben im Gedächtnis. Es waren unter einem Wust von technischen und geometrischen Zeichnungen und kleinen Modellen Bildwerke aller Art, gefertigt mit Bleistift, Tusche, Feder, Kohle, Ölbilder, Aquarelle. Auch Skulpturen waren dabei, aus beliebigem Holz, aus Möbelstücken, aus gekautem Brot. Es waren Bilder darunter, die der Mißtrauischste als Schöpfungen eines Gesunden angesprochen hätte, und Bilder von wilder Verschrobenheit. Winzige Skizzen und große, ausgeführte Gemälde.
»Das Jüngste Gericht«
    Da war etwa eine Mappe, bezeichnet »Das jüngste Gericht«. Richter und Gerichtete flossen ineinander. Folterwerkzeuge waren da; der gleiche Mensch war bald Folterknecht, baldGefolterter; Ankläger standen herum, die Gesichter offenbar Porträts, viele maskenhaft starr. Mit ungeheurer Präzision waren sadistische Instrumente wiedergegeben; ihre Formeln, errechnet, standen säuberlich aufgezeichnet am Rand oder in einer Ecke, dazu Gebrauchsanweisungen. Richter thronten, in Talaren. Einigen waren die Herzkammern geöffnet; sie enthielten verbogene Paragraphen, Folterinstrumente, Gesetzesvorschriften, geometrische Formeln. »Man wird älter«, sagte der Maler Landholzer still, traurig, während Kaspar Pröckl die Zeichnungen betrachtete. »Ich strafe nicht mehr gern. Aber sonst zerfällt alles.«
»Die Schöpfung«
    Mit Behagen dann öffnete der Mann eine Mappe, betitelt »Die Schöpfung«. Dargestellt auf einem jeden Blatt war ein Mensch, der sich entleert. Aus seinen Exkrementen bilden sich mannigfache Dinge, Städte und Wolken, Männer und Maschinen, Flugzeuge, der Kaiser Napoleon, die Pyramiden, eine Fabrik, Tiere und Pflanzen, ein Thron mit einer Krone, Buddha auf dem Lotus. Interessiert und ernst betrachtet der sich Entleerende, was aus seinen Exkrementen sich bildet. Als der beklommene Kaspar Pröckl zu dem Maler Landholzer aufschaute, sagte der, etwas läppisch technische Ausdrücke der Malerei gebrauchend: »Ja, das ist ganz gut. Es sollte vielleicht etwas mehr Blau hinein. Aber es steht gut im Raum.«
»Militarismus«
    Dann war da eine Holzskulptur, waffenstarrend, mit Uniformbestandteilen der verschiedensten Heere, auch dem simpelsten Zuschauer ohne weiteres als »Militarismus« verständlich. Sie trug vier Gesichter, zwei davon gehörten Feldherren des großen Kriegs, mit Namen Ludendorff und Hindenburg,damals allgemein bekannt. Die vier Gesichter rissen die Mäuler auf, sträubten die Barthaare, ließen die Augen vorquellen, streckten die Zungen heraus. Haß hatte dem Mann das Schnitzmesser geführt.
»Abendmahl«
    Lächelnd dann wies er eines von den großen Gemälden vor, die, den Rücken gegen den Beschauer, an der Wand lehnten. Es war eine Art »Abendmahl«, und es war auf den ersten Blick zu erkennen, daß es von dem Maler von »Josef und seine Brüder« gemacht war. Aber es

Weitere Kostenlose Bücher