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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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genug. Sie müßten eingreifen, endlich, durchgreifen. Sind sie blind? Aber wir haben es auch heranziehen spüren im letzten Kriegsjahr und haben auch zu spät eingegriffen. Freilich haben wir auch nicht diese hämmernde Musik gehabt. Es ist eine scheußliche Musik, aber sie läßt einen nicht los. Natürlich muß man diesen Saufilm verbieten. Es ist ganz raffinierte Stimmungsmache, eine Schweinerei. Es ist wirklich keine genügende Ursache, die Disziplin aufzusagen, weil ein Stück Fleisch madig ist. Da haben wir im Krieg ganz anderes herunterfressen müssen, mein Lieber. Dennoch ist der Klenk nicht recht für die Offiziere; er ist für die Matrosen.
    Die hämmernde, bedrohliche Musik geht weiter, die Gärung wächst. Der Kapitän läßt die Mannschaft auf Deck antreten. Fragt, wer etwas gegen die Verköstigung vorzubringen hat. Zögern. Einige treten vor. Auf einmal, man weiß kaum wie, sind die Besten der Mannschaft, die Mißvergnügten,die Rädelsführer, abgetrennt. Ein großer, weiter, gefährlicher Zwischenraum ist zwischen ihnen und den andern. Verteufelt geschickte Burschen diese Offiziere, da haben sie die Anstifter, die Meuterer, im Handumdrehen unter der Faust. Das Gros der Mannschaft steht ängstlich beisammen. Die kleine Schar der Führer ist durch ein Seil abgesperrt, in einen Winkel geschnürt. Da stehen sie, die vorhin das Maul so weit aufreißen konnten, in einem armen, zitternden Haufen. Schon ist ein Segeltuch über sie gebreitet. Ein paar elende, groteske Bewegungen gehen durch dieses Segeltuch. Gewehrläufe sind darauf gerichtet. Kommandos, gleichmütig, trocken. Da reißt es einem aus dem Gros die Zähne auf. Sein Schrei kommt. Das Kommando Feuer kommt. Aber das Feuer kommt nicht. Die Gewehre gehen nicht los.
    Ein Taumel packt die Menschen, die auf der Leinwand und die vor ihr. Warum hat man so lang gewartet. Aber jetzt ist es ja da, jetzt begehren sie auf, jetzt endlich geht es los. Und die Leute vor der Leinwand jubeln, sie klatschen denen auf der Leinwand zu. In die grausame, triumphierende, hämmernde, scheußliche Musik hinein klatschen sie, wie jetzt die auf der Leinwand auf die Offiziere eine tolle, groteske Jagd anfangen, sie hervorholen aus albernen Verstecken, sie über Bord schmeißen in die fröhlich hochspritzende See, einen nach dem andern, den mickerigen Schiffsarzt darunter, seinen Kneifer ihm nach.
    Klenk sitzt still, es hat ihm den Atem verschlagen, er sitzt, der riesige Mann, mäuschenstill. Es hat keinen Sinn, das zu verbieten. Es ist da, man atmet es ein mit jedem Atemzug, es ist in der Welt, es ist eine andere Welt, es ist Blödsinn, sie zu leugnen. Man muß das anschauen, man muß diese Musik hören, man kann sie nicht verbieten.
    Die Fahne wird heruntergeholt. Eine neue Fahne klettert den Mast hoch, unter ungeheurem Jubel, eine rote Fahne. Matrosen übernehmen den Dienst der Offiziere; die Maschine funktioniert nicht schlechter dadurch. Unter der roten Fahne fährt das Schiff ein in den Hafen der Stadt Odessa.
    Schüchtern gewahrt die Stadt die rote Fahne, sperrt den Mund auf, frohlockt. Atmet schneller, jauchzt auf, groß, befreit. Man zieht heran, dem Schiff mit der roten Fahne zu, einzelne zuerst, immer mehr, die ganze Stadt wallfahret zu dem einen erschossenen Matrosen, dessen Leiche man an Land gebracht hat, sie wimmelt in Booten um das Schiff mit der roten Fahne, sie bringt den Matrosen von ihren nicht reichlichen Lebensmitteln.
    Klenk wird kribbelig. Halten die andern still? Lassen sich die andern das einfach gefallen? Er ist gar nicht für die andern, er ist viel zu lebendig, als daß er sich von dem Elan dieser ganzen Angelegenheit nicht mitreißen ließe. Allein es stört ihn, daß der sonst so wahre Vorgang unwahr zu werden beginnt durch dieses Versäumnis. Es stört ihn, daß es nicht stimmt.
    Aber siehe!, es stimmt doch. Da sind sie, die andern. Sie sind nicht faul gewesen, und jetzt sind sie da.
    Eine Treppe ist da. Eine riesige, breite Treppe, sie hört nicht auf. Auf ihr, in unendlichem Zuge, trägt das Volk seine Sympathien zu den Meuterern. Aber es trägt nicht lange; denn auf dieser Treppe sind sie, die andern. Eine Schwarmlinie Kosaken, die Treppe hinunter, Gewehr unterm Arm, langsam, bedrohlich, unausweichlich, sperrend die ganze Breite der Treppe. Es kommt Bewegung ins Volk. Sie gehen schneller, sie laufen, sie rennen, sie laufen davon, sie fliehen. Einige merken nichts, verstehen nichts, die bleiben langsam, verwundert. Man sieht die

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