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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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diesen Mann das Land Bayern. Wir alle in diesem verfluchten Land Bayern haben ihn hingemacht. Das darf nicht ungesagt bleiben. Das ganze Land wird krank an dem verhaltenen Wort. Die Krankheit des Landes muß mit Namen genannt werden. Sie muß das tun, Johanna, laut, deutlich.
    Man konnte sie nicht mehr dumm machen. Sie hatte einiges erlebt von ihrem sechsundzwanzigsten Jahr bis zu ihrem achtundzwanzigsten. Sie hatte Erinnerungen, ein ganzes Museum. Da war zum Beispiel ihre Maske. Da war ein Tennisschläger aus der Zeit ihrer gesellschaftlichen Beziehungen . Da war der trockene Laib Brot aus der Zelle in Odelsberg, sehr hart, sehr trocken, gut konserviert, ein hervorragendes Museumsstück. Da war in einer Kassette ein Pack Briefe, gebündelt, wohlgeordnet, geschrieben von einer Hand, die nicht mehr schrieb. Da war mit einem schadhaften e der Ausschnitt aus der Morgenzeitung, daß Fancy De Lucca sich erschossen hatte, weil sie nicht mehr Tennis spielen konnte. Da war ein Fläschchen mit einem schon fast verrauchten Geruch von Heu und Leder, herrührend von einem jungen Menschen, der gelebt hatte ohne Sinn, den sie geliebt hatte ohne Sinn, der gefallen war ohne Sinn bei einem läppischen Putsch. Da war ein grauer Sommeranzug. Eigentum ehemals eines Mannes, der verreckt war in einer überheizten Zelle, vor jenem vertrocknenden Laib Brot und keinem Menschen. Hauptstück des Museums aber blieben Martin Krügers Schriften, mit dem Aufsatz über »Josef und seine Brüder«, mit den Kapiteln »Ich hab’s gesehen« und »Wie lange noch«, klassischen Prosastücken bereits. Da standen sie, vier schöne, starke Bände mit roten Lederrücken, das Werk, das verfluchte Werk, das den Mann und sein Schicksal begrub.
    Als endlich der Tag des Prozesses Förtsch kam, trat sie vor die Richter, angefüllt mit einem guten Zorn, klar, kräftig, wiein ihren besten Tagen. Sie wußte nicht genau, was sie reden wird, aber daß sie gut und unüberhörbar reden wird.
    Rupert Kutzner hatte vierzehn Tage hindurch gesprochen, einmal vier Stunden auf einen Satz. Johanna Krain gab man nicht vierzehn Tage, auch nicht vier Stunden, auch nicht eine Minute. Die Richter waren höflich, leicht verwundert. Was wollte sie eigentlich? Einen Wahrheitsbeweis antreten? Wofür? Sie habe mit eigenen Augen gesehen, daß es Martin Krüger in Odelsberg an ärztlicher Fürsorge gefehlt hat? Aber der objektive Tatbestand war hinlänglich geklärt durch das Disziplinarverfahren gegen Dr. Gsell, und die subjektive Gutgläubigkeit gestand man ihr ohne weiteres zu.
    Ihr Anwalt, mit umständlicher Begründung, dringlich und in aller Form, beantragte Wahrheitsbeweis. Das Gericht zog sich zurück, beriet eine halbe Minute, lehnte ab.
    Johannas Augen, als das Gericht diesen Beschluß verkündete, verdunkelten sich vor Zorn. Nicht mehr sah sie den hellen, kahlen Gerichtssaal. Vielmehr sah sie eine rauchige Konditorei in Garmisch. An den Wänden Alpenrosengerank und ein Stampftanz von Burschen und Dirndln. Ein freundlicher, langbärtiger Herr, Kuchen in Milchkaffee tunkend, spricht sanft und weise: wie die Rechtssicherheit es erfordere, daß manchmal einem Unschuldigen zu Recht Unrecht geschehe.
    Johanna wurde, unter Zubilligung mildernder Umstände, zu einer kleinen Geldstrafe verurteilt. Kehrte zurück in ihr Museum, nicht geschlagen.
14
Herr Hessreiter diniert im Juchhe
    Die Festigung der deutschen Währung, die Schrumpfung von der Billion zur Eins, war nicht ohne Krämpfe vor sich gegangen. Erheblich rascher, als sie hochgeströmt war, rann die ungeheure Geldflut ab. Viele wanden sich jetzt in kurzfristigenZahlungsverpflichtungen, sahen sich plötzlich ohne Mittel, ihre gehäuften, kostspieligen Betriebe zu erhalten. Zusammenkrachten ringsum die geblähten Konzerne, die hochtönenden Gesellschaften.
    Das Agrarland Bayern spürte die Erschütterung nicht so peinvoll wie die meisten andern Teile des Reichs. Eine Verschiebung freilich trat ein unter den heimlichen Regenten des Landes. Berchtesgaden, das erzbischöfliche Palais, der Geheimrat Bichler, nun man die endgültige Bilanz zog, verloren an Macht. Die ganz Großen, die Reindl und Grueber, tauchten aus der Wirrnis mit großem Gewinn.
    Zu den wenigen aber, die es gerissen hatte, gehörte der Kommerzienrat Paul Hessreiter. Die Verträge mit Südfrankreich verlangten große Barzahlungen, die Münchner Banken wurden schwierig, die Hetag mußte mit Verlust an Herrn Curtis Lang abgestoßen werden. Die Süddeutschen Keramiken

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