Erfolg
Geheimrat Kahlenegger beugte sich mit Gefühl über einen Glaskasten, der eine Sammlung bayrischer Schmetterlinge enthielt. Cajetan Lechner aber hatte es mit einer alten Vitrine; sie war sehr vermorscht, es war ein Wunder, daß sie ihm nicht unter den Händen zerfiel. Aber das gerade reizte ihn. Das war seine Aufgabe, dieses zarte, wurmstichige Ding kunstgerecht aufzuneuen.
Wer aber kramte dort mit dünnen, langen Fingern in dem aufgestapelten Trödel? Richtig, es war der Komiker Balthasar Hierl. Jacques Tüverlin sah ihn stöckisch feilschen mit einer beleibten Tandlerin. Es ging um ein großes, altmodisches Klistier; mit zärtlicher Gier wog es der Komiker in seinen mageren Händen. Ja, das mochte ein reizvolles Requisit sein für die Bühne in den Minerva-Sälen. Aber die Alte war offenbar ebenso zäh wie er, und Tüverlin sah ihn schließlich ohne das Klistier abziehen. Bestimmt wird er am nächsten Tag zurückkommen und weiter feilschen.
Die Menschen ringsum drückten sich, rempelten einander an, sagten: »Hoppla, Herr Nachbar«, lachten. Mit gemächlicher Leidenschaft, hartlauernd, unentwegt, hauten Käufer und Verkäufer einander übers Ohr. Tüverlin schmeckte voll Anteil das bäuerlich Schlaue dieses Feilschens, ließ sich von dem Fanatismus ringsum anstecken, mußte die Technik dieses Geschachers selber ausprobieren. Er hatte einen alten Stich aufgespürt, darstellend eine ihm vertraute Landschaft am Ammersee. Er erkundigte sich listig zuerst nach den Preisen vonzehn andern Dingen; aber der Händler merkte gleich, daß es der Stich war, auf den er sein Auge geworfen hatte. In seinem Herzen wunderte er sich verachtungsvoll, wie ein vernünftiger Mensch einen solchen Dreck kaufen wollte, und er verlangte den unerhörten Preis von zehn Mark. Tüverlin tat entsetzt. Rief einen von den Zuhörern zum Zeugen an, wie wertlos das Bild sei. »Das ist ein Schund, dafür würde ich keine fünfzig Pfennig geben«, bestätigte mit Überzeugung der Angerufene. Der Händler war im stillen seiner Meinung. »Aber der Rahmen, meine Herren, schauen die Herren den Rahmen an!« beschwor er sie. »Ein Gelump, keine fünfzig Pfennig«, wiederholte mit Inbrunst der Zeuge. »Der Rahmen«, beteuerte hartnäckig der Händler. Tüverlin war stolz, als er schließlich den Stich für sieben Mark fünfzig erstand. Der Händler blickte ihm voll mitleidiger Verachtung nach, schaute mit zärtlichem Respekt auf seine Öldrucke.
Tüverlin geriet vor eine Bude, vor der sich besonders viel Volk drängte. In Bündel geschichtet lagen da hochbezifferte Banknoten der Inflation, Millionenscheine, Milliardenscheine. Besonders gesucht waren die braunen Tausender aus der Vorkriegszeit. Gelockt und mit Gier streichelten viele Finger diese braunen Noten. »Eintausend Mark zahlt die Reichsbankhauptkasse in Berlin gegen diese Banknote dem Einlieferer.« War das einfach in den Wind gedruckt? Dreizehneinhalb Zentimeter hoch war ein Bündel von tausend solchen Scheinen, und wenn man ein solches Bündel besaß, dann hatte man, vor wenigen Jahren noch, ausgesorgt für sich und seine Familie auf Lebenszeit. Viele brachten es nicht in den Kopf, daß das alles jetzt wertlos sein sollte, und die Händler in der Bude machten gute Geschäfte. Man kaufte die billigen Tausender, eine Million für fünf Mark, zu Sammelzwecken angeblich, zum Spaß; aber ein bißchen Hoffnung, sie könnten doch noch aufgewertet werden, heftete fast jeder daran. Einer hatte es besonders wichtig, ein halber Idiot offenbar, es war der Onkel Xaver. Er hatte einen Schubkarren mitgebracht, in den verfrachtete er das Erworbene.
Der eine der Händler kam Tüverlin bekannt vor, das spitz zulaufende Gesicht, die kleinen Rattenzähne, das pfeifende Lachen. Ja, man erkannte auch ihn, man begrüßte ihn. Herr von Dellmaier, zwischendurch seine Ware anpreisend, verkaufend, konversierte mit ihm französisch. Jacques Tüverlin sehe, es sei ein einträgliches, amüsantes Geschäft, mit dem er sich da befasse, einträglicher und amüsanter als die Politik. Tüverlin erinnerte sich. Seit dem Tode dieses Erich Bornhaak, hatte man ihm erzählt, war der Versicherungsagent von Dellmaier ganz auf den Hund gekommen; im Zusammenhang mit gewissen Undeutlichkeiten in der Kassenführung der Wahrhaft Deutschen war er auch dort hinausgeflogen.
Aus der Unterhaltung mit Herrn von Dellmaier riß den Tüverlin der Anruf einer bekannten Stimme. Der Sprecher stand vor der Nebenbude, ein Herr in einem hellen, flauschigen
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