Erfolg
Genannt aber wurde der Knabe Cajetan Wladimir Lechner.
Der alte Lechner strahlte. Nahm sein Enkel- und Patenkind in den verschiedensten Stellungen auf. Machte ihm ein Geschenk, das sich gewaschen hatte. Verkaufte das Haus am Unteranger und kaufte dafür auf den Namen dieses jüngsten Lechner ein Einfamilienhaus am Rande der Stadt, in Schwabing. Er selber war nicht würdig, Hausbesitzer zu sein: aber es sollte sich manifestieren, daß die Familie Lechner hochgekommen war.
Es war ein altes Bauernhaus, das sich inmitten der weitergreifenden Stadt erhalten hatte. Große Kastanienbäume standen auf dem mauergeschützten Hof. Das Haus sollte auch in Zukunft ausschauen wie das Haus eines Bauern, der es sich in der Stadt behaglich macht; aber ausgestattet sein sollte es mit allem Raffinement moderner Technik, elektrifiziert vom Keller bis zum First, doch so, daß die Apparate versteckt blieben, nicht als Fremdkörper wirkten. Beide Lechner hatten es wichtig, bastelten, zerbrachen sich den Kopf. Der alte Lechner lief manche Woche herum, die rechten, altväterisch gediegenen Möbel aufzutreiben.
Mitte Mai war es soweit. Während der Alte Laden und Wohnung am Unteranger beibehielt, das hatte er sich ausbedungen, zogen der elektrotechnische Werkstattbesitzer Benno Lechner, seine Frau Crescentia und der Säugling Cajetan Wladimir in das Haus in Schwabing. Die Zenzi beschrieb ihrer Freundin in Weilheim in einem umständlichen Brief ihr neues Heim, unterzeichnete: »Deine Dich liebende Freundin Crescentia Lechner, geborene Breitmoser, wohnhaft Fröttinger Landstraße 147, im eigenen Haus.«
Die Stätte ihres früheren Wirkens, die Tiroler Weinstube, hatte sie seit ihrer Verheiratung vermieden. Jetzt äußerte sie den Wunsch, dort mit dem Beni zu Abend zu essen. Der grantelte, verhielt sich ablehnend. Nach einigem unbehaglichen Hin und Her gingen sie. Setzten sich in das kleine Nebenzimmer, wo der Viertelliter Wein zehn Pfennig mehr kostete. Die betont bürgerliche Gemütlichkeit, die Holztäfelung, die massiven, ungedeckten Tische, die altväterisch festen, fürseßhafte Hintern gemachten Bänke und Stühle, das alles war vertraut und dennoch neu. Der Raum war dämmerig vom Rauch guter Zigarren, vom Dunst nahrhafter Speisen. Auf gewohnten Plätzen saßen Männer in festen Stellungen, mit festen Ansichten. Sie kannten sie fast alle, sie riefen und nickten ihr Grüße zu, leicht erheitert, wohlwollend, mit geziemendem Respekt. Die Resi half ihr aus dem Mantel, lief um die Speisekarte.
Frau Crescentia Lechner, geborene Breitmoser, ließ sich nieder auf der Bank am Ecktisch unter dem Sims mit dem Arrangement von Zinntellern. Sie nahm Besitz von dem Raum, in dem sie so lange dienend herumgegangen war und die Kassierin gemacht hatte. Da hockte sie, ein Bild, das jetzt seinen richtigen Rahmen gefunden hat, die breite, resolute Person, berechtigt und darauf wartend, gut gespeist und gut bedient zu werden, neben dem Mann, den sie sich erkämpft und den sie hinaufgebracht hat. Sie war angelangt, sie fühlte sich wohl, das war ein guter Tag, das war der beste Tag ihres Lebens.
17
Seid ihr noch alle da?
Der Schriftsteller Jacques Tüverlin trieb vergnügt im Lärm der Auer Maidult. Krieg, Revolution, Inflation hatten in den vergangenen Jahren auch diesen traditionellen Trödelmarkt der östlichen Vorstadt Au beeinträchtigt, jetzt aber lief das Leben wieder in solidem Gleis, und die Auer Dult war zünftig wie früher. Ganz München drängte sich zwischen den Buden, vornean die Künstler und die Kinder, und Jacques Tüverlin stöberte, nicht weniger aufgeregt als sie, nach Kostbarkeiten. Man bastelte gern in der Stadt München, man ließ nichts umkommen, man suchte nach kaputten Dingen, um sie auf neu herzurichten. Hierher, in die Auer Dult, mündeten die meisten Sachen, die im Kleinleben Münchens mitgespielt hatten:Möbel, Kleider, Schmuck, Geschirr, Bücher, Nachtstühle, Kinderspielzeug, alte Akten, Brillen, Betten, Fahrräder, Gebisse. Es hing an all dem ausgedienten Gelump noch der Geruch des kleinen Lebens, von dem es ein Teil gewesen war. Darin herumzuwühlen, vielleicht ein Stück von Wert aufzuspüren, machte einen Heidenspaß. Man stieß sich und preßte sich, behaglich und mit Gelächter, es war ein Schlendern bei allem Drängeln, und Tüverlin drängte und schlenderte mit.
Er sah viele bekannte Gesichter. Herr Hessreiter wandelte herum, betrübt und beflissen, und vergnügt und beflissen Herr von Messerschmidt. Der
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