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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sehe, bestehe wenig Aussicht, daß Herr Tüverlin sie kriegen werde. Man habe bei jener Wette zwar keinen Zeitpunkt vereinbart, bis zu dem Tüverlin seine Ankündigung, er werde den toten Mann reden machen, verwirklicht haben müsse. Doch Klenk baute auf Tüverlins stark beredete Fairneß, daß man sich über die Terminfrage nachträglich verständigen könne. Er lade Herrn Tüverlin ein, ihn zu diesem Zweck in Berchtoldszell zu besuchen. Tüverlin hatte seit Monaten nicht jener Nacht gedacht, da er kurz vor dem Morgen mit den ungeschlachten bayrischen Männern bei herabgebrannten Kerzen und versperrten Türen eine Wette abgeschlossen hatte. Er hielt den Brief Klenks in der Hand, beschaute die kleinen, kräftigen, gefälligen Buchstaben. Hellte sich auf. Es war eine alberne Wette gewesen, aber er bereute sie nicht. Er war ein Mann, der zu seinem Wort stand. Er wird sich anstrengen, und er wird die Wette gewinnen. Er beschloß, sogleich, noch heute, nach Berchtoldszell zu fahren.
    Durch den hellen Frühsommermorgen fuhr er, auf umständlichen Wegen, zu seiner Rechten immer die dunkelblaue Kette der Berge. Er soll also bewirken, daß der Mann Krüger den Mund aufmacht. Das war eine schwierige Sache. Viele Berufene hatten erklärt, in seinem Essay zum Fall Krüger sei alles gesagt, was zu diesem Fall gesagt werden könne, sein Essay sei viel wichtiger als der Fall selbst. Aber dieser berühmte Essay schien ihm auf einmal trocken und kalt. Wenn der Tote reden sollte, dann war es mit theoretischer Erkenntnis allein nicht getan, dann mußte das Land Bayern lebendig werden. Der Essay genügte nicht, den Toten reden zu machen.
    Die kräftige bayrische Erde, über die der Schriftsteller Tüverlin fuhr, roch gut. Die Straßen freilich waren holperig, noch nicht für Kraftwagen bereitet. Die Gedanken des Schriftstellers Tüverlin gingen auf und ab. Da war also der Mann Klenk mit seiner Justiz, und da war der Mann Krüger mit seinem Prozeß, seinen lächerlichen Umschwüngen, seinemgrotesk traurigen Ende. Woher nahm er, Tüverlin, eigentlich das Recht, sich so aus hohem Himmel über den Fall Krüger zu äußern? Die Hemmungen Johannas gegen ihn waren verstandeswidrig, bayrisch. Aber wäre sie nicht geschaffen mit solchen Hemmungen, er hätte sie nicht geliebt. Sein hochmütiger Essay war dümmer als ihre Hemmungen, schon deshalb, weil sich ja erwiesen hatte, daß der Fall Krüger für ihn keine akademische Angelegenheit war, daß er ihn verdammt viel anging. Heute war der wirkliche Märtyrer des Prozesses Krüger er, Tüverlin.
    Auf einmal an diesem Junimorgen, auf der Fahrt nach Berchtoldszell, mit großem Bedauern und mit noch größerer Lust, spürte Jacques Tüverlin, wie unter seinen Plänen einer heraufkam, immer höher, die andern verdrängte. Es war dies der Plan zu dem Buch Bayern .
    Während er mechanisch nach rechts steuerte, einem entgegenkommenden Auto ausweichend, dann ein Bauernfuhrwerk überholte, und noch eines, und wieder einem Wagen auswich, im Ablauf von weniger als einer Minute, sah er in sich das ganze Buch, die Vertiefungen, die Ausblicke, das Zuvor und das Hernach. Zuerst war Vielfältigkeit gewesen und mannigfaches Verstehen, dann Ödnis und Unbehagen, dann tieferes Verstehen und ein guter Haß. Jetzt war die Vision da. Er hatte den Auftrag.
    Er lenkte das Steuer. Er gab Gas, mehr, weniger, mechanisch. Er lachte laut, grimmig, quäkend. Er schaute stier. Er knirschte. Er summte vor sich hin, wie er es von Johanna angenommen hatte, zwischen Lippen und Zähnen. Im Fahren rundete sich ihm das Buch. Er erlebte das Land Bayern. Er war ganz erfüllt. Er wußte noch nicht klar, wieweit sein Buch Beziehungen haben wird zu dem toten Mann und zu seiner Wette. Allein ein gutes Buch ist eine gute Sache: er wird den Toten reden machen.
    Er warf, während er ihn überholte, einem Fuhrknecht, der sich tölpisch in der Mitte der Straße hielt, einen groben Fluch hin. Sein nacktes Gesicht, in dem frischen Wind, verfälteltesich, grinste. Bilder kamen, Gedanken kamen, verschlangen sich, zeugten. Vielleicht, wenn die Wasser sich verlaufen, wird sich erweisen, daß sein Buch noch mehr bewirkt, als daß der Tote redet. Er pfiff vor sich hin, sang vor sich hin, am Steuer, im Wind. So kam er nach Berchtoldszell.
19
Die Welt erklären heißt die Welt verändern
    Er fand den Klenk nicht allein, Simon Staudacher war da. Man saß an dem großen, ungedeckten Holztisch. Die Haushälterin Veronika trug die Speisen ab und zu, derbe,

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