Erfolg
ein, München als einzige größere Stadt inmitten eines weithin von Bauern bewohnten Bezirks habe eben die Sendung, anders zu sein als der bayrische Bezirk ringsum. Die Landleute, nach München kommend, suchten dann gerade städtische Vergnügungen, das Gegenteil ihres Alltags. Er verbiß sich also darein,die Vergnügungsindustrie gerade seiner Vaterstadt wieder hochzubringen. Es war wohl auch, weil der Instinkt fürs Dekorative, Theaterhafte, der zu gewissen Zeiten immer wieder in den Menschen der bayrischen Hochebene aufstieg, tief in ihm saß. Münchner Volksfeste, die er als Knabe ergriffen miterlebt hatte, der alljährlich wiederkehrende Rummel auf der Stadtwiese, volkstümliche, karnevalistische Veranstaltungen mit trommelfellsprengendem Lärm, Wagnerfestspiele, Schützenfeste, die prunkende Prozession am Tage Corpus Domini, die Karnevalsbälle im Deutschen Theater, vergnügungsselige Bierfeste in den Riesensälen der großen Brauhäuser, dieser ganze geräuschvolle Prunk hatte sich tief in ihm festgesetzt. Er wollte selber Schaustellungen solcher Art veranstalten, sie mit den Mitteln moderner Technik intensivieren, den Lärm lärmender, den Rausch rauschender, den Glanz glänzender machen. Mit bäurischer Zähigkeit steckte er das Geld, das er aus dem Vergnügungsbedarf des übrigen Deutschlands herausholte, in diese immer wieder mißglückenden Münchner Versuche.
Frau von Radolny streckte Herrn Pfaundler die große, weiße Hand hin, begrüßte ihn mit einer an ihr ungewohnten Lebhaftigkeit. Ihre Anfänge waren dunkel gewesen, sie sprach nicht darüber. Jedenfalls unterhielt sie sich gerne über alle Fragen des Varieté- und Kabarettbetriebs, hatte eine staunenswerte Kenntnis aller Fachausdrücke und war an einigen Unternehmungen des Herrn Pfaundler vorsichtig beteiligt.
Während des Abendessens auf der schönen, dem See zu gelegenen Terrasse unterhielt sie sich interessiert mit dem fleischigen, umfangreichen Mann. Ihr etwas rauhes, sonores Organ mischte sich mit dem hellen, fetten Pfaundlers. Der schwere Mann, blaßhäutig, schlaue, winzige Mausaugen in dem wulstigen Schädel, hatte keine rechte Stellung zu dem Prozeß Krüger. Natürlich schade die umständliche, hinterwäldlerische Art, wie man einem Kunsthistoriker von Rang die Bettlaken lupfe und berieche, dem Ruf der Stadt, aus der die Eselhaftigkeit der Regierung sowieso schon alle Fremdenund halbwegs bedeutenden Intellektuellen hinausgeekelt habe. Es müßte einmal einer eingreifen, den regierenden Schafsköpfen tüchtig den Marsch blasen. Einer aus der Wirtschaft. Er wüßte schon einen, der, wenn er wirklich wollte, aus München etwas machen könnte: der Herr von Reindl. Aber der halte es leider heimlich mit den Preußen, wegen seiner Verbindungen mit dem Ruhrkonzern, und trotz seines föderalistischen Geredes sei ihm alles Bayrische ein Dreck. Herr Hessreiter, sowie der Name Reindl auftauchte, verdüsterte sich. Der Reindl war im stillen ein steter Vorwurf für ihn, war an Geld und industrieller Bedeutung, gesellschaftlichem Rang, lebemännischen Qualitäten ihm überlegen.
Er dachte vag an seine keramische Fabrik und daß man dort in der Kunstabteilung zur Zeit wieder vor allem Pierrot- und Kolombinen-Gruppen herstellte. Die Süddeutschen Keramiken Ludwig Hessreiter & Sohn hatten ursprünglich Gebrauchsdinge hergestellt, Geschirr vor allem. Ein großer Teil der bayrischen Menschen südlich der Donau speiste aus ihren Schüsseln, Tellern, Näpfen und entleerte sich in ihre Fabrikate. Besonders beliebt war ein wohlfeiles Muster, sehr blau: Enzian und Edelweiß. Schon Herrn Hessreiters Vater hatte den keramischen Werken eine Kunstabteilung angegliedert. Sie war indes nie zu rechter Bedeutung gekommen. Ein groß angelegter Versuch, künstlerische Maßkrüge auf den Markt zu werfen, war empfindlich gescheitert. In letzter Zeit hingegen gewann diese Kunstabteilung größeres Ausmaß. Das deutsche Geld hatte an Wert sehr verloren, schon kostete der Dollar fünfundsechzig Mark. Die deutsche Arbeitskraft war billig, ermöglichte den Unternehmern einträgliche Auslandsgeschäfte. Die Hessreiterschen Werke hatten sich rechtzeitig darauf eingestellt; im Ausland fanden vor allem die Erzeugnisse der Kunstabteilung Anklang, sie überschwemmten, gigantische Fliegenpilze, langbärtige Gnomen und dergleichen, weithin die Welt. Herrn Hessreiter gingen diese Erzeugnisse sehr gegen den Geschmack: aber was konnte er machen? Sollte er das Geschäft andern
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