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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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zu gehen. Aber sie fragte ihn brüsk: »Sagen Sie, Dr. Geyer, wie hieß eigentlich der Mann, der Geschworene, der mich damals gegen den Staatsanwalt in Schutz nehmen wollte?« – »Das war ein gewisser Kommerzienrat Hessreiter«, sagte der Anwalt. »Glauben Sie, daß der was machen könnte?« fragte Johanna. »Es ist nicht ausgeschlossen«, sagte der Anwalt; »ich habe allerdings an andere gedacht.« – »An wen zum Beispiel?« fragte Johanna. An der Tür klopfte es, die Haushälterin Agnes wahrscheinlich, zum Aufbruch mahnend. Der Anwalt nannte Johanna, nicht ohne Mühe, fünf Namen. Sie notierte sie umständlich. Dann erst ging sie. Dr. Geyer hatte sich auf Johanna Krain gefreut, jetzt ließ sie ihn zurück abgezehrt, die dünnen Lippen hochgezogen über den starken, gelben, trockenen Zähnen. Jenes Gesicht quälte ihn. Die Haushälterin Agnes flüsterte der Krankenschwester zu, es sei sehr unvernünftig gewesen, daß man die Dame vorgelassen habe.
    Johanna fand vor dem Haus in der Steinsdorfstraße, in dem sie wohnte, Jacques Tüverlin warten mit seinem kleinen französischen Wagen. Sie hatte ihm zugesagt, heute mit ihm in die Umgebung zu fahren. »Sehen Sie«, erklärte er vergnügt, »ich war gescheit und habe nur zweimal gehupt. Dann dachte ich mir, Sie seien doch nicht zu Hause, und bin stillgeblieben. Hätte ich weitergehupt, hätte ich die ganze Gegend aufmerksam gemacht. Wollen wir an den Ammersee?« schlug er vor. Sie war einverstanden mit diesem ruhigen, weniger effektvollen Ziel.
    Er fuhr nicht übermäßig rasch, sehr sicher. Sein zerknittertes Gesicht sah altklug unter der großen Autobrille hervor, er war glänzender Laune, sprach viel und offenherzig. Er war in der Zwischenzeit zweimal mit Johanna zusammengewesen; doch sie, erfüllt von der Sorge um dringende Geschäfte, hatte wenig Ohr für seine Theorien gehabt. Heute hörte sie besser zu.
    Gerechtigkeit, erklärte er, während der Wagen über das flache Land fuhr, in schräger Linie den blassen Bergen zu, Gerechtigkeit sei in politisch bewegten Zeiten eine Art Seuche, vor der man sich hüten müsse. Der eine erwische eine Grippe, der andere Justiz. In Bayern sei diese Seuche besonders bösartig. Der Mann Krüger, prädisponiert, hätte Präventivmittel anwenden müssen. Sein Fall sei Pech, bedauerlich, doch ohne Interesse für die Allgemeinheit, untragisch. Aber das alles habe er ihr bereits auseinandergesetzt. Und er machte sie aufmerksam auf gewisse Tricks beim Chauffieren.
    Sie wunderte sich, erwiderte sie später – denn sie war langsam und erwiderte manchmal erst nach geraumer Zeit –, sie wunderte sich, daß er dann immer noch Wert darauf lege, mit ihr zusammenzusein; denn ihre Interessen gehörten ziemlich ausschließlich dem Fall Krüger.
    Jacques Tüverlin betrachtete sie von der Seite. Sie sei dazu hinlänglich legitimiert, meinte er dann gleichmütig, eine Kurve aufmerksam und elegant nehmend. Denn ihr mache die Sache ja Spaß. Einziger Rechtfertigungsgrund menschlichenTuns sei der Spaß, den die Handlung dem Handelnden mache. Sowie ein Mensch von Format Spaß darin investiere, werde die fadeste Sache interessant.
    Seine Hände am Steuer waren kräftig, sommersprossig, rötlichblond behaart. Der Oberkiefer seines sonderbar nackten Gesichts sprang vor, mit großen, festen Zähnen, über der scharfen Nase die tiefliegenden Augen wanderten eilig herum, beobachteten Straße, Landschaft, Entgegenkommende, seine Nachbarin. »Ich sage gern alles offenherzig heraus«, erklärte er mit seiner hellen, gequetschten Stimme. »Es ist so umständlich, lange, listige Umwege zu machen, es paßt nicht in die Zeit, Gradheit ist schneller und komfortabler. Ich sage Ihnen also gleich, daß ich einmal in meinem Leben eine große Dummheit gemacht habe. Das war, als ich mich in Deutschland naturalisieren ließ. Eine sentimentale Demonstration für den Besiegten, eine Quadrateselei. Im übrigen setzen mich der Völkerbund, der die Rente meines Genfer Hotels sehr gesteigert hat, und der Kurswert meiner Schweizer Franken in die Lage, ohne Verzicht auf die Annehmlichkeiten des Lebens sagen zu dürfen, was ist. Meine Schriftstellerei ist im Ausland bei einigen Kennern so angesehen, wie im allgemeinen in Deutschland unpopulär. Mir macht sie Spaß. Ich produziere langsam, mit Schwierigkeiten; aber ich lese meine Produkte mit innigem Vergnügen und finde sie ungewöhnlich gut. Dazu kommt, daß ich als reich gelte und deshalb gut honoriert werde. Ich finde es

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