Erfolgreich Lernen (German Edition)
Mit einigem zeitlichen Abstand zu dem Streitgespräch fallen einem dann plötzlich die Argumente ein, die in dem Streitgespräch sehr treffendgewesen wären, aber eben erst nach dem Streitgespräch, wenn es schon zu spät ist. Wie kann man das erklären? Unser Gehirn „funktioniert“ dann am besten, wenn wir uns in einem Zustand mittlerer Anspannung befinden. Unter Anspannung versteht man das Gleiche wie „Nervosität“, „Aktivierung“, „Stress“, „Unruhe“, etc. Wir haben in diesem Zustand Zugriff auf all unser Wissen und können unser Verhalten flexibel an die Anforderungen der Außenwelt anpassen, wir haben dann Zugriff auf all unsere Fähigkeiten und Fertigkeiten. Steigt die Anspannung jedoch über dieses optimale mittlere Niveau hinaus noch weiter an, wird unser Verhalten ineffektiver, wir haben dann nicht mehr den vollen Zugriff auf die Möglichkeiten, die uns potenziell zur Verfügung stehen. Ebenso verhält es sich, wenn wir uns in einem Zustand zu geringer Anspannung befinden, z. B. wenn wir am Morgen noch nicht richtig wach sind. Wir sind dann noch nicht richtig „warmgelaufen“ und daher auch noch nicht voll leistungsfähig.
Das heißt: Vor einer Prüfung wäre es nicht optimal, total entspannt zu sein. Eine gewisse Anspannung ist sogar notwendig und hilfreich, um eine gute Prüfungsleistung zu erzielen.
Es ist also nicht das Ziel der nachfolgend dargestellten Kontrolltechniken, total entspannt in eine Prüfung zu gehen. Der Zustand der Entspannung ist zwar optimal für das Abspeichern von Information (vergl. Kapitel 7 ), jedoch nicht für die Reproduktion der Information zum Beispiel in einer Prüfung. Ziel der vorgestellten Techniken ist es dagegen, sich in relativ kurzer Zeit von dem Bereich zu hoher Anspannung (die die Prüfungsleistung blockieren kann) in den Bereich der mittleren Anspannung (in dem die Leistungsbereitschaft optimal ist) zu gelangen. Den Zusammenhang zwischen dem Grad der Anspannung und der Verhaltenseffektivität kann man in Form des so genannten Yerkes-Dodson-Gesetzes darstellen (Yerkes & Dodson, 1908, Abbildung 20 ).
Abbildung 20: Der Zusammenhang zwischen Anspannung und Effektivität (Yerkes-Dodson-Gesetz)
Wie kann man nun erkennen, in welchem Bereich der Kurve man sich befindet?
Zu geringe Anspannung:
Langeweile
Leichtsinnsfehler treten auf
Man fühlt sich „tranig“
Mittlere (optimale) Anspannung:
Hohe Konzentrationsfähigkeit
Wenig Fehler treten auf
Man fühlt sich wohl
Zu hohe Aktivierung:
Gedächtnislücken
Konfusion
Flüchtigkeitsfehler
Man fühlt sich überfordert/nervös/unruhig
Man kann also anhand der Leistungsfähigkeit und anhand des eigenen Gefühls erkennen, in welchem Bereich man sich befindet. Das eigene Gefühl ist ein sehr sicherer Indikator. Alle in diesem Teil beschriebenen Techniken haben neben der verbesserten Leistungsfähigkeit auch eine Verbesserung des Körpergefühls zum Ziel.
Wenn Sie die in den folgenden Kapiteln beschriebenen Übungen durchführen, werden Sie unter Umständen bemerken, dass Sie in den Zustand einer zu geringen Anspannung, vielleicht sogar der Müdigkeit kommen können, wie er für das Absolvieren einer Prüfung nicht besonders förderlich wäre. Sie brauchen dann jedoch keine Angst zu haben, dass dies auch in der Prüfungssituation passieren könnte. Der Unterschied ist folgender: Sie führen die Übungen sehr wahrscheinlich ausgehend von dem Zustand einer mittleren Anspannung durch. Durch die Übungen zur Schnellentspannung bewegen Sie sich dann auf der Anspannungsachse nach links in den Bereich zu geringer Anspannung, was die Leistungsfähigkeit verringert. In der Prüfungssituation dagegen beginnen Sie sehr wahrscheinlich von einem Niveau der eher zu hohen Anspannung ausgehend mit den Übungen und bewegen sich dann dabei auf der Achse der Anspannung in den mittleren Bereich, in dem die Leistungsfähigkeit optimal ist. Sollten Sie sich vor einer Prüfung nicht in dem Bereich erhöhter Anspannung befinden, so ist der Einsatz der Entspannungstechniken gar nicht erst nötig. In der Praxis braucht man wahrscheinlich so gut wie nie die Befürchtung zu haben, durch Entspannungstechniken in der Prüfungssituation AUS DEM Bereich der mittleren Anspannung in den Bereich der zu geringen Anspannung zu kommen. Sehr viel häufiger hat man dagegen das Problem, von einem zu hohen Anspannungsniveau IN DEN Bereich der mittleren Anspannung zu gelangen.
Abbildung 21: Unterschied zwischen Trainings- und
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