Erfolgreiches Teamcoaching
beginne ich in der Regel damit, dass ich zunächst mit den Spielern bespreche, was wir uns für das kommende Jahr vornehmen. Das gemeinsame Ziel ist der Anfang des Weges, welchen wir zusammen gehen wollen.
In der Trainerausbildung werde ich immer wieder gefragt, wann man als Trainer mit der Mannschaft dieses Thema angehen sollte. Ohne dass es dafür eine generelle Regel gibt, würde ich doch sagen, etwa 3-4 Wochen vor Saisonbeginn ist ein guter Zeitpunkt. Dann haben die Spieler schon einige Zeit gehabt, sich zu beschnuppern und zusammenzuwachsen. Zugleich aber ist es noch früh genug, dass sie das Ziel verankern können und es so die volle Wirkung erzielen kann, bevor die Saison startet.
Die Spieler bekommen von mir die Aufgabe, jeder für sich aufzuschreiben, was sie als angemessenes Saisonziel ansehen. Dabei sollen sie sowohl ein qualitatives wie auch ein quantitatives (also in Zahlen ausgedrücktes) Saisonziel benennen. Ein Beispiel für einen solchen Fragebogen sehen Sie in Abbildung 4 .
Diesen Fragebogen auszufüllen, fällt vielen Athleten schwerer, als ich anfangs dachte. Typische Argumente, die ich zu hören bekomme, sind: „Wir haben so viele neue Spieler dazubekommen. Da weiß ich noch gar nicht, was wir zu leisten vermögen.“ Oder: „Wir haben noch gar keine Vorbereitungsspiele absolviert, da wissen wir noch nicht, wo wir im Vergleich zu den anderen stehen.“ Für mich sind solche Argumente Versuche, davor auszuweichen, sich festzulegen.
Jede Mannschaft, die ich bisher betreut habe, konnte sehr wohl schon Wochen vor Saisonbeginn realistisch einschätzen, was sie in den kommenden Monaten zu leisten vermochte. Unter diesen Mannschaften befanden sich auch Teams, die personell völlig neu bestückt waren. Aber das stellte kein Hindernis dar.
Abb. 4: Fragebogen zum Saisonbeginn
Das Argument mit den Vorbereitungsspielen amüsiert mich immer besonders. Testspiele geben keinen brauchbaren Hinweis auf den Saisonverlauf. Das kann man jedes Jahr wieder beobachten. Sonst hätte Hertha BSC in der Saison 2001/02 um die Meisterschaft mitspielen müssen, nachdem sie im Ligapokal so souverän aufgetreten waren. Aber in Wirklichkeit waren sie am Ende froh, einen UEFA-Cup-Platz erreicht zu haben. Lassen Sie sich niemals von den Ergebnissen der Vorbereitung täuschen, in keine Richtung. Da spielt uns nur unser Bedürfnis nach Sicherheit einen Streich. Aber, realistisch betrachtet, bleibt vor dem ersten Spieltag immer die große Unsicherheit.
Selbst die ersten Saisonspiele sagen noch wenig aus über den weiteren Verlauf der Spielzeit. Manchmal kann man natürlich tatsächlich einen guten Start nutzen, um dauerhaft in höheren Tabellenregionen zu bleiben. Und umgekehrt genauso. Aber häufig kommt es ganz anders. Die Handballdamen von Leverkusen z. B. leisteten sich 2000 einen kleinen Fehlstart mit nur 6:6 Punkten aus den ersten sechs, nicht sonderlich schweren Spielen. Wie sollten sie da noch auf ihre 30 Punkte kommen, die sie erreichen wollten? Doch am Ende kamen sie genau da an, dank einer zwischenzeitlichen Serie von 10:0 Punkten. Und es gibt tausende vergleichbare Beispiele.
Aber zurück zum konkreten Vorgehen bei der Saisonzielfestlegung. Wenn alle Spieler den Fragebogen ausgefüllt haben, trage ich die Ergebnisse zusammen. Meist ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Manche wollen höhere Ziele erreichen, andere sind vorsichtiger. Wichtig ist, dass sich jetzt alle auf ein gemeinsames Ziel einigen.
Das ist oftmals ein längerer Prozess, bei dem die Diskussion auch einmal hitzig werden kann. Aber es ist ein hilfreicher Prozess für die Mannschaft. Dadurch kommen die Teammitglieder näher zusammen. Sie finden heraus, was ihre gemeinsame Basis für die nächsten 12 Monate bildet. Deswegen bin ich auch unnachgiebig, wenn es zwischenzeitlich bei manchen Teams so aussieht, als wenn eine Einigung nicht möglich wäre.
Ich habe es zum Beispiel schon erlebt, dass eine Spielerin hartnäckig dabei blieb, an das höhere Ziel der anderen Spielerinnen nicht glauben zu können. Für dieses Problem muss die Mannschaft eine Lösung finden, denn sonst nimmt sie es als Konfliktstoff mit in die Saison. Sie kann entweder das Minderheitsvotum akzeptieren, weil sie sich stark genug fühlt, eine solche Uneinigkeit zu tragen. Oder sie besteht auf der Konformität aller Mitglieder. In diesem Fall müsste die Spielerin sich entscheiden, ob sie sich einfügt und das gemeinsame Ziel übernimmt oder ob sieaus der Mannschaft ausscheidet.
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