Erfüllen Sie meinen Herzenswunsch, Mylord!
„Kommt, Mädchen, es ist Zeit, dass wir aufbrechen“, sagte sie und streckte ihren Töchtern die Hände entgegen.
Lord Darton plante, nach Parson’s End zurückzukehren, sobald er seine eigenen Angelegenheiten erledigt hatte. Er beabsichtigte indes keineswegs, Charlottes Schmuck zu verkaufen. Ihm war von Anfang an klar gewesen, dass er dazu nicht fähig sein würde, und so hatte er Ivor im „Great White Horse“ in Ipswich zurückgelassen und die nächste Postkutsche nach London genommen.
Zum Glück ereigneten sich auf der Reise keine Zwischenfälle, keine Straßenräuber kreuzten ihren Weg und kein Wagenrad brach, und daher erreichte die Chaise das „Spread Eagle“ in der Gracechurch Street noch vor zehn Uhr am nächsten Morgen. Stacey stieg aus und nahm sich eine Droschke, die ihn nach Picadilly brachte. In seinem dortigen Stadthaus hatte Mr. Hardacre seine Kanzlei.
Der Anwalt frühstückte gerade, als der Viscount zu ihm stieß. „Mylord“, begrüßte ihn der ältere Gentleman und tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab. „Ich wusste gar nicht, dass Sie in der Stadt sind.“
„Es ist nur eine Stippvisite, Mr. Hardacre. Verzeihen Sie, dass ich Sie so früh störe und unangemeldet bei Ihnen erscheine.“
„Oh, Sie stören nicht. Wollen Sie mir nicht Gesellschaft leisten?“ Mr. Hardacre läutete nach einem Dienstboten, der wenig später ein weiteres Gedeck auflegte. „Ich hoffe, in Malcomby Hall ist alles in Ordnung.“
„Soweit ich weiß, ja. Ich habe Lord und Lady Malcomby eine Nachricht geschickt, wo sie mich im Notfall erreichen können, denn seit wir uns vor ungefähr drei Wochen in Parson’s End trafen, war ich nicht mehr daheim. Ich habe an Cecil Hobarts Hausparty teilgenommen.“
„Gütiger Himmel! Aus welchem Grund?“
„Nachdem Sie mir von Ihrer Sorge um Mrs. Hobart erzählten, wollte ich mir selbst ein Bild machen, wie es in Easterley Manor zugeht. Cecil ist mein Vetter zweiten Grades, und obwohl wir nicht eng miteinander verwandt sind, missfiel mir der Gedanke, er könne den Namen unserer Familie in den Schmutz ziehen. Und Mrs. Hobarts Umstände …“ Stacey brach ab und zuckte aufgesetzt gleichmütig mit den Schultern. „Ich konnte nicht einfach darüber hinwegsehen, dass man ihr so bitter zusetzt.“
John Hardacre lächelte; nicht umsonst hatte er Lord Darton seine Sorge um Charlotte anvertraut. Der junge Mann war ein nüchtern denkender Soldat, der nicht zu überschwänglichen Gefühlsäußerungen neigte, dafür aber ein starkes Bedürfnis hatte, Menschen zu helfen, wenn diese in Not geraten waren. „Was ist geschehen?“
Ein Lakai kam ins Zimmer und brachte eine frische Kanne Kaffee. Als sie wieder allein waren, erzählte Stacey dem Anwalt, was sich indessen in Easterley Manor zugetragen hatte. „Am Ende stahl Hobart seiner Schwägerin ihren Schmuck und ihr letztes Geld aus ihrem Zimmer.“
„Gütiger Gott! Sie muss augenblicklich dort ausziehen. Ich werde Lord Falconer doch schreiben müssen.“
„Lord Falconer? Meinen Sie die Falconers in Rickmansworth?“
„Ja, er ist Mrs. Hobarts Großonkel. Sie wussten es nicht?“
Der Viscount war verblüfft. Dass Charlotte im wahrsten Sinne des Wortes eine Dame war, hatte er nie bezweifelt; auf den Gedanken, sie könne aus einer so angesehenen und herausragenden Familie stammen, wäre er allerdings nicht gekommen. Wie auch? Kein Mensch konnte davon ausgehen, dass eine Frau, die sich als Lehrerin in einer Dorfschule betätigte, einen so vornehmen familiären Hintergrund besaß. Und sie selbst hatte ihm gegenüber nicht ein Wort über ihre Herkunft verloren. Wie hatte er sich geirrt! Er schüttelte den Kopf. „Nein, das wusste ich nicht. Aus welchem Grund wendet sie sich nicht an ihren Großonkel und bittet ihn um Hilfe?“
Der Anwalt berichtete ihm, wie es zu dem Zerwürfnis gekommen war.
„Denken Sie nicht, Lord Falconer würde seiner Großnichte trotzdem helfen?“
„Das ist schwer zu sagen. Einerseits könnte er nach diesen vielen Jahre milder gestimmt sein, andererseits besteht durchaus die Möglichkeit, dass er mit dem Alter noch verbitterter und unnachgiebiger geworden ist als zu Lebzeiten seiner Nichte.“
„Wir sollten es umgehend herausfinden. Zum Glück gelang es mir, Mrs. Hobart davon zu überzeugen, dass sie mir vertrauen kann. Das war kein leichtes Unterfangen, weil ich mich wie all die anderen Hausgäste an den Spieltisch gesetzt habe. Aber ich gewann ihren Schmuck zurück und machte ihr klar,
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