Erfüllen Sie meinen Herzenswunsch, Mylord!
nehme an, Sie möchten so rasch wie möglich nach Parson’s End zurückkehren.“
„Ja, wenn es geht, schon heute Abend. Und beten Sie, dass Mrs. Hobart in der Zwischenzeit kein Leid geschieht. Sie musste mir versprechen, dass sie ins Pfarrhaus zieht, wenn sie sich bedroht fühlt. Das beruhigt mich etwas, und dennoch möchte ich lieber heute als morgen wieder in Easterley Manor sein.“
6. KAPITEL
Charlotte hatte den Viscount den nächsten, allerspätestens den übernächsten Abend zurückerwartet, denn nach Ipswich ritt man höchstens einen Tag. Und blieb er über Nacht in einem Gasthof, brauchte er insgesamt nicht länger als drei Tage. Nun war diese Frist verstrichen, ohne dass er sich bei ihr gemeldet hätte, und sie begann sich zu fragen, ob es richtig gewesen war, ihm zu vertrauen. Wie lange mag es dauern, ein paar Schmuckstücke zu verkaufen?, grübelte sie ein ums andere Mal. Wenn sich herausstellt, dass er genauso ist wie sein Vetter, ist mein Glaube an das Gute im Menschen auf immer erschüttert. Sie hatte stets nur das Beste in einem Menschen gesehen, ja sogar Entschuldigungen für Cecils Fehlverhalten gesucht, als Sir William seinerzeit so außer sich über seinen jüngsten Sohn gewesen war. Charlotte hielt ihren Schwager für schwach, seine Kumpane dagegen für verdorben, doch von Viscount Darton mochte sie weder das eine noch das andere annehmen.
Er war freundlich zu ihr gewesen, hatte sie geküsst und sie seine Liebste genannt, und sie hatte sich in ihn verliebt. Sie vermisste ihn und sehnte sich danach, von ihm in die Arme genommen zu werden, sich geliebt und geborgen zu fühlen. So zärtlich hatte sie nicht mehr empfunden, seit Grenville von ihr gegangen war. Die Liebe und Wertschätzung, die ihr durch ihre Töchter und den Pastor zuteil wurde, konnte die erwiderte Liebe zu einem Mann nicht ersetzen, das gewahrte sie nun; seit der Viscount abgereist war, empfand sie ihre Einsamkeit umso schmerzlicher. Dachte sie an ihn, stieg das Verlangen in ihr auf, bei ihm zu sein. Dabei wusste sie nicht einmal, ob ihr gesunder Menschenverstand sie nicht im Stich gelassen und sie ihr Herz nicht an einen Schurken verloren hatte. Wo mochte er sein? Und weshalb war er nicht zurückgekommen? Immer wieder redete sie sich Mut zu und sagte sich, dass alles Mögliche ihn aufgehalten haben konnte und dass sie nicht die Geduld verlieren durfte.
In der Zwischenzeit ging sie wie gehabt ihren Pflichten im Haus nach, kümmerte sich um die zwei verbliebenen Gäste, mit denen Cecil abends am Kartentisch saß – obwohl sie sich fragte, was er ihnen als Spieleinsatz anbot –, und unterrichtete weiterhin die Kinder im Dorf.
Am vierten Tag nach Lord Dartons Abreise saß sie nachmittags an ihrem Sekretär und notierte, was sie im Zusammenhang mit der Schulgründung bedenken musste, als sie plötzlich die Eingebung hatte, dem Viscount könnte etwas zugestoßen sein. Vielleicht war er überfallen und des Geldes beraubt worden, das er für ihren Schmuck erhalten hatte. Nicht selten berichteten die Tagesblätter, dass Straßenräuber für wenige Münzen sogar zu töten bereit waren.
Beunruhigt legte sie die Feder ab und erhob sich. Ihr wurde klar, dass sie sich unbedingt ablenken musste, um nicht fortwährend zu grübeln, und sie beschloss, sich Lektüre aus der Bibliothek zu holen.
Sie begab sich nach unten und durchquerte die Halle, als sie Stimmen aus dem Salon vernahm. Die Tür war nur angelehnt, daher ging sie leise weiter, um nicht auf sich aufmerksam zu machen. Sie wollte gerade in die Bibliothek schlüpfen, da fiel plötzlich ihr Name. Mit klopfendem Herzen blieb sie sie auf der Türschwelle stehen und spitzte die Ohren, um der Unterhaltung im Raum gegenüber zu lauschen.
„Hobart, du bist erledigt“, hörte sie Sir Roland sagen. „Uns gehört jetzt jeder Ziegelstein von Easterley Manor mitsamt dem Inventar – Kutsche, Pferde und deine hübsche Schwägerin.“
„Charlotte? Roly, das meintest du doch nicht wirklich ernst, als du neulich sagtest, du würdest sie notfalls heiraten, um an das Erbe zu kommen.“
„Weshalb nicht? Du hast die Mitgift ihrer Töchter ebenso verspielt wie dein Haus. Wie soll ich an das Geld, das mir zusteht, herankommen, wenn nicht durch Heirat?“
„Sie wird sich weigern.“
„Dann erklär mir, wie du deine Schulden bei uns zu begleichen gedenkst.“
„Ich weiß es nicht. Ich werde irgendwo Geld auftreiben.“
„Cecil, mein Freund, was geschähe eigentlich, wenn die Dame einen
Weitere Kostenlose Bücher