Erfüllen Sie meinen Herzenswunsch, Mylord!
Stallmeister.
„Gehört dieses Pferd nicht Viscount Darton?“
Der Mann zögerte und schob sich die Mütze aus der Stirn. „Ja, Ma’am. Seine Lordschaft hat uns das Tier anvertraut, solange er fort ist.“
„Wohin ist er gefahren? Und für wie lange?“, fragte Charlotte bestürzt.
Der Stallmeister bedachte sie mit einem misstrauischen Blick. „Warum wollen Sie das wissen?“
„Ich bin Mrs. Hobart, und ich erwarte ihn seit beinahe zwei Wochen vergebens in Easterley Manor, Parson’s End.“
„Viel kann ich Ihnen nicht sagen, Ma’am. Er stellte den Wallach tatsächlich vor ungefähr zwei Wochen hier unter und nahm die Kutsche nach London. Ob er allerdings bis dorthin gefahren ist, weiß ich nicht. Zwei oder drei Tage später kam er zurück, aber nur für kurze Zeit. Er meinte, er wisse nicht, wann er sein Pferd abholen könne. Er schien sehr in Eile zu sein.“
Charlotte bedankte sich, und nach einem stärkenden Imbiss in der Schankstube bestiegen sie und die Mädchen den Einspänner und fuhren nach Parson’s End. Wohin mag der Viscount nach seinem Aufenthalt in Ipswich gefahren sein?, fragte Charlotte sich ein ums andere Mal. Und weshalb hatte er sein Pferd im „Great White Horse“ zurückgelassen und keine Nachricht für sie im Wirtshaus hinterlegt? Sie konnte nur hoffen, dass ihm nichts zugestoßen war.
Lord Darton saß am Bett seiner Tochter und beobachtete voller Sorge, wie Julia sich schweißgebadet von einer Seite auf die andere warf und versuchte, sich aus der Bettdecke zu winden, die er um sie herum festgesteckt hatte. So ging es seit Tagen, seit das Mädchen in jener unglückseligen Nacht nicht nach Hause gekommen war. Dr. Morton hatte eine Gehirnhautentzündung festgestellt und erklärt, es bliebe ihnen nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass das Fieber bald zurückging. Dem Arzt war deutlich anzumerken gewesen, dass er nicht verstehen konnte, wie es zu Julias nächtlicher Eskapade hatte kommen können, und Stacey machte es sich zum Vorwurf, dass er seine Tochter allein gelassen und das Unglück nicht verhindert hatte. Im Nachhinein musste er Charlotte recht geben: Er hatte die Verantwortung für Julia einfach seinen Eltern überlassen, die aufgrund ihres Alters überfordert waren mit dem lebhaften Kind. Und er selber verstand sich zwar darauf, ein Regiment zu befehligen, nicht aber auf die Erziehung eines Mädchens, das ohne die Mutter aufwuchs.
Immer wieder kehrten seine Gedanken zu Charlotte zurück. Wie mochte es ihr ergehen? Den Brief von Mr. Hardacre hatte sie gewiss längst erhalten. Der Anwalt war von seinem Plan wenig begeistert gewesen, denn jeder, der die Zeilen las, musste seine Fähigkeiten als gewissenhafter Jurist infrage stellen. Stacey hatte ihm versprechen müssen, dass Mrs. Hobart zu gegebener Zeit erfuhr, wer ihr in Wahrheit das Geld zur Verfügung stellte.
Stacey seufzte. Wie gern hätte er Charlotte mitgeteilt, er habe ihren Schmuck nicht verkauft und beabsichtige, Julia in ihrer Schule anzumelden! Er sehnte sich danach, ihre schönen Augen aufleuchten zu sehen vor Freude.
Mr. Hardacres Schreiben war abends gegen halb sieben auf den Weg gebracht worden, bevor er selber sich in die Kutsche nach Ipswich gesetzt hatte. Am darauffolgenden Morgen war er unendlich müde im „Great White Horse“ angekommen und hatte sich etwas Schlaf gegönnt. Ausgeruht und voller Ungeduld, Charlotte wiederzusehen, wollte er nur rasch ein Frühstück zu sich nehmen, bevor er jene Schule aufsuchte, die er anfänglich für Julia ins Auge gefasst hatte. Da sein Kommen seit Langem angekündigt war, plante er, die Leiterin wenigstens darüber in Kenntnis zu setzen, dass er sich anders entschieden hatte.
Er war kaum in die Schankstube getreten, als jemand seinen Namen rief.
Der Viscount wandte sich um und entdeckte Gerard Topham zwei Tische weiter am Fenster. Erfreut, den alten Freund wiederzusehen, gesellte er sich zu ihm. „Was machst du denn hier, Gerry?“, erkundigte er sich und gab dem Captain die Hand.
„Hatte ich dir nicht erzählt, dass ich die Küste abreite?“
„Doch. Und, hattest du Erfolg?“
„Bislang nicht. Willst du dich nicht zu mir setzen?“
„Gern.“ Stacey nahm Platz, winkte den Kellner herbei und orderte Kaffee, Brot und Butter. „Zu einem ausgiebigen Frühstück reicht die Zeit leider nicht“, wandte er sich an seinen Freund und berichtete ihm, was sich die vergangenen Tage zugetragen hatte.
„Dafür war ich weniger erfolgreich“, beklagte sich
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