Erfuellt
was ja eigentlich sinnlos war – wir kamen schließlich ohnehin nicht zurück. Aber er sagte immer, dass man das ja nie wissen könne.
Tripp wurde der Zimmerschlüssel ausgehändigt, und wir gingen zum Lift. Ich hatte keine Lust zu reden. Vorhin hatte ich mit Braden telefoniert, und sie hatte mir mitgeteilt, dass Woods sich noch immer nicht bei ihr gemeldet hatte. Irgendwie wurmte mich das, obwohl ich ja eigentlich erleichtert sein sollte. War ich aber nicht. Je länger Woods weder Braden noch Tripp anrief, desto sicherer war ich, dass es ihm insgeheim so doch am liebsten war. Und ich hatte ihm einen bequemen Ausweg geboten. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie schlecht es ihm ging. Einen Tag nach dem anderen zu überstehen fiel mir viel leichter, wenn ich davon ausgehen konnte, dass nur ich litt.
»Du bist heute ziemlich wortkarg«, merkte Tripp an, als sich die Türen des Lifts öffneten und wir in den Flur des zweiten Stocks traten. Höher ließ Tripp sich nicht einquartieren. Er hatte da so einen Tick, was Hotelzimmer betraf. Sein Argument war immer ein möglicher Brand, in dessen Fall er so schnell wie möglich entkommen wollte. Darüber hatte ich mir noch nie den Kopf zerbrochen – er dagegen offensichtlich umso mehr.
»Ach, ich bin einfach gerade nicht so gesprächig«, erklärte ich.
»War denn dein Telefonat mit Braden okay?«, fragte er.
Klar. Klar war es okay gewesen. Sie hatte Woods noch nicht einmal erwähnt. Nur gefragt, wohin wir fuhren und was wir so trieben. Mehr nicht.
»Ja, war in Ordnung.«
Tripp öffnete die Zimmertür und drehte sich zu mir um.
»Bist du einverstanden, wenn ich heute Abend was trinken gehe?«
Das war unser Code für »Bist du einverstanden, dass ich heute Abend eine Frau flachlege?«. Er hatte allerdings keine Ahnung, dass ich Bescheid wusste, und das war mir auch lieber so.
Jedes Mal, wenn er ausging, kam er erst gegen zwei Uhr morgens zurück und roch durchdringend nach irgendeinem Damenparfüm. Er hätte einen ziemlich miesen, untreuen Ehemann abgegeben, wäre er verheiratet gewesen.
»Och, ich habe Lust, mir eine Pizza zu bestellen und fernzugucken. Mach, wonach auch immer dir ist!«, sagte ich und trat ins Zimmer.
»Besten Dank!«, sagte er.
»Keine Ursache. Uff, ich brauche jetzt erst mal eine Dusche. Gehst du gleich?«, fragte ich und nahm ihm meine Tasche ab.
»Jepp, glaube schon.«
»Na, dann sehen wir uns morgen früh«, meinte ich. Dann ging ich ins Badezimmer und zog die Tür hinter mir zu. Ich wartete, bis die Zimmertür ins Schloss fiel, und wartete noch einen Moment ab, ehe ich meinen Tränen freien Lauf ließ. Stundenlang hatte ich sie zurückgehalten. Der Schmerz wurde durch das Weinen natürlich nicht weniger, aber immerhin konnte ich mich ein Weilchen ganz meinem Kummer hingeben. Ich musste ihn nicht mehr verstecken, sondern konnte alles rauslassen.
Tief in meinem Innersten wusste ich ja, dass ich richtig gehandelt hatte. Ich hatte Woods gehen lassen und musste nicht länger Angst davor haben, ihm zu schaden. Es ging ihm gut. Er lebte sein Leben und würde irgendwann die Frau finden, die perfekt zu ihm passte. Das war bei uns eben nicht der Fall. Liebe sollte einfach sein. Unsere war kompliziert und belastend gewesen.
Woods verdiente jemanden wie Blaire Finlay. Eine Frau, die ihm zur Seite stand und notfalls eine Pistole zog, um sich selbst zu verteidigen. Eine Frau, die gesunde Kinder auf die Welt bringen und eine gute Mutter sein konnte. Eine Frau, die nicht plötzlich durchdrehte.
Ich würde nie wie Blaire sein, auch wenn ich mir nichts im Leben mehr gewünscht hätte. Ich war eben nicht die Frau, die perfekt zu Woods passte. Eines Tages würde er der Richtigen begegnen. Und auch ich wäre vielleicht eines Tages glücklich. Wenn ich mich selbst gefunden hatte und endlich ein selbstbestimmtes Leben führte.
Auf jeden Fall weigerte ich mich zu glauben, dass ich genauso kaputt enden würde wie meine Mutter.
Vielleicht war ich nicht gerade zur Topehefrau oder zur Topmutter geboren, aber ich war immerhin noch ein Mensch, oder nicht? Aus mir konnte etwas werden. Ich konnte auf diesem Planeten etwas bewirken. Ich musste eben herausfinden, was das denn sein könnte. Auf alle Fälle tat es mir nicht gut, zu viel über Woods’ Desinteresse an mir nachzugrübeln. Weinen brachte mich auch nicht weiter.
Wahrscheinlich war es höchste Zeit, dass ich mich selbst heilte. Ich brauchte keinen Mann, der mich betüddelte und mit mir herumkuschelte.
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