Erfuellt
sein«, sagte sie und sah mich währenddessen aufmerksam an. Ich merkte schon, dass sie lieber einen tieferen Einblick in mein Leben bekommen hätte, aber das hatte sie nicht verdient. Also sagte ich nichts mehr. Mir fiel einfach nichts ein. Ich hatte das Gefühl, dass dieses Treffen jetzt, wo ich ihr begegnet war und wusste, wie meine Mutter aussah, für mich irgendwie schon zu Ende war.
»Ich hätte dich – ist es in Ordnung, wenn ich du sage? – beinahe behalten, weißt du. Ich wollte dich haben, und ich habe Nile sehr geliebt. Er war der Kapitän der Basketball-Mannschaft, und absolut jedes Mädchen ist seinem Charme erlegen. Aber er wollte ausgerechnet mich! Ich war seine Freundin und hätte am liebsten den Boden geküsst, auf dem er wandelte. Als ich gemerkt habe, dass ich schwanger bin, wollte ich Nile heiraten und eine Familie mit ihm gründen. Aber ich war erst sechzehn. Ich hatte von Liebe und richtigem Herzschmerz noch keinen blassen Schimmer. Hatte keine Ahnung, wie man Rechnungen bezahlt oder wie viel Babys überhaupt kosten! Meine Mom war Krankenschwester und mein Dad Bauarbeiter. Wir haben ein ziemlich bescheidenes Leben geführt und uns von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck gehangelt. Mit all diesen Dingen kannte ich mich natürlich überhaupt nicht aus. Ich war viel zu beschäftigt mit irgendwelchen romantischen Hirngespinsten.«
Sie verstummte und nahm einen Schluck Kaffee. Mir fiel auf, dass sie nervös war, wollte aber doch mehr wissen. Warum hatte sie mich im Stich gelassen?
»Niles Familie war wohlhabend, sehr sogar. Sein Vater war ein Abgeordneter und sein Großvater ein Chirurg. Sie hatten große Pläne für Nile. Das Dasein als Teenager-Vater stand nicht auf ihrer Liste. Ich glaube durchaus, dass er mich damals geliebt hat. Ja, da bin ich mir ziemlich sicher. Er meinte, dass er Geld beschaffen würde. Dass wir zusammen durchbrennen und unser Kind großziehen könnten. Und mit achtzehn wollten wir dann heiraten. Großer Gott, ich war ganz hibbelig vor Aufregung. Bis dann eben doch alles anders kam.«
Ihre Augen hatten einen traurigen Ausdruck angenommen. Als wäre die Erinnerung an all das noch immer schmerzhaft und mit viel Reue verbunden. Eigentlich konnte ich mir das nicht vorstellen. Bei dem Leben, das sie jetzt führte …
»Nile wurde ein Basketball-Vollstipendium an der University of Arizona angeboten. Und er hat zugegriffen. Mir hat er erklärt, dass er noch nicht bereit sei, ein Kind zu haben, und ich ebenso wenig. Dass wir einfach zu jung seien und noch keine Ahnung hätten, wie es mit uns weitergehen sollte. Ich wusste, dass er einfach das nachplapperte, was seine Eltern ihm eingetrichtert hatten. Himmel, war ich wütend und verletzt! Er hat noch lange versucht, mit mir zu reden und mich dazu zu bewegen, ihm zu verzeihen, aber ich hatte ihn komplett abgeschrieben. Immerhin – fand ich damals – hatte er mich betrogen, hatte ein Stipendium mir und unserem ungeborenen Kind vorgezogen. Als mein Bauch immer größer wurde, scheute er keine Mühe, half mir in der Schule und tat mir kleine Gefallen. Aber auch wenn er zum Beispiel in der Mittagspause mein Tablett trug, ignorierte ich ihn einfach. Er stand nicht hinter mir und meiner Entscheidung, das Baby zu behalten. Er wollte mir diese Idee ausreden.« In ihren Augen schwammen Tränen. Sie wischte sie weg und lächelte mich traurig an.
»Als der Geburtstermin näher rückte, verlor mein Dad seinen Job. Meine Mom sah sich gezwungen, Essensmarken für uns zu beantragen, damit wir überhaupt was zu beißen hatten. Die beiden hatten die ganze Zeit ziemlich zu kämpfen, und ich wusste, dass sie Angst hatten, weil bald ein Maul mehr zu stopfen sein würde. All das wollte ich nicht für dich. Du solltest ein anderes Leben führen als ich. Ich war noch nicht bereit für ein Kind. Nile hat mir unendlich viel bedeutet, und du warst ein Produkt unserer Liebe. Erst als ich dich zum ersten Mal in den Armen hielt, wusste ich, dass ich dir das alles nicht antun konnte. Das Leben, das ich dir hätte bieten können, erschien mir nicht gut genug.« Abermals machte sie eine Pause und holte tief Luft. »Ich habe also einen Kuss auf deine speckigen kleinen Wangen gedrückt und dich dann der Krankenschwester in die Arme gelegt. Ihr gesagt, dass ich dich nicht behalten könne und dass sie bitte ein besseres Zuhause für dich finden solle.«
Ich saß da und starrte Glenda wortlos an. Ihre Geschichte klang nachvollziehbar. Wahrscheinlich war man mit
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