Erfuellt
meine Arme geworfen – die ich Idiot auch noch weit für sie ausgebreitet hatte. Damit hatte ich mir ein Drama nach dem anderen eingehandelt und sogar ein wenig mein Herz an sie verloren. Das sie letztendlich aber gar nicht wollte. Zumindest nicht wirklich. Trotzdem hatte sie eine Stelle in mir berührt, die zuvor noch nie jemand berührt hatte. Sie hatte mich gebraucht. Dass mich jemand brauchte, war neu. Deshalb war ich schwach geworden.
Und deshalb saß ich jetzt auch hier im Haus ihres Vaters, suchte nach ihr, wartete auf sie. Momentan drehte sie mal wieder völlig durch, und Rush kam ausnahmsweise nicht zu ihrer Rettung. Er hatte seinen Superman-Umhang nämlich abgelegt und beschlossen, dass damit endlich Schluss sein müsse. Und genau das hatte ich mir immer gewünscht. So krank es auch klingen mochte: Ich wollte ihr Held sein. Verdammt, was war ich doch für ein Waschlappen.
»Trink, mein Junge. Das kannst du weiß Gott brauchen«, sagte Kiro, Nans Vater, und drückte mir seine halb leere Tequilaflasche in die Hand. Kiro war der Leadsänger der weltweit legendärsten Rockband. Slacker Demon gab es nun schon seit zwanzig Jahren, und noch immer stürmte jedes neue Album, das sie herausbrachten, umgehend an die Spitze der Charts.
Eigentlich wollte ich ablehnen, überlegte es mir dann aber doch anders. Er hatte ja recht. Ich konnte wirklich was zu trinken gebrauchen. Als ich die Flasche an die Lippen hob, dachte ich allerdings lieber nicht daran, wo der Kerl schon überall seinen Mund gehabt hatte.
»Grant, du bist doch eigentlich ein cleverer Bursche. Ich kapiere einfach nicht, warum du dir Nans ganzen Scheiß gefallen lässt!«, sagte Kiro und ließ sich mir gegenüber auf das weiße Ledersofa fallen. Er trug eine eng anliegende schwarze Jeans und ein silbernes Hemd, das er sich nicht zugeknöpft hatte. Brust und Arme waren mit Tätowierungen übersät. Noch immer flippten Frauen seinetwegen komplett aus. Nicht wegen seines Aussehens. Dafür war er dank seiner Diät aus Alkohol und Drogen viel zu dürr. Aber er war Kiro. Das war alles, was für sie zählte.
»Hörst du mir überhaupt zu? Meine Fresse, sie ist meine Tochter, und nicht einmal ich halt’s mit ihr aus. Dieses durchgeknallte Luder ist kein Stück besser als ihre Mom!«, erklärte er und nahm dann einen tiefen Zug aus seinem Joint.
»Jetzt reicht’s aber, Daddy«, ertönte eine wohlklingende Stimme von der Tür, eine Stimme, die in letzter Zeit viel zu oft den Weg bis in meine geheimsten Phantasien gefunden hatte.
»Ah, mein kleines Mädchen kommt endlich aus ihrem Zimmer, um uns mit ihrer Anwesenheit zu beglücken!«, sagte Kiro und lächelte seine Lieblingstochter an. Die Tochter, für die er etwas empfand. Die, die er nicht im Stich gelassen hatte. Harlow Manning war einfach atemberaubend. Sie sah überhaupt nicht wie das Kind eines Rockstars aus, sondern eher wie ein unschuldiges, süßes Mädchen vom Land. Mit langen, dunklen Haaren und Augen, die dich deinen eigenen verdammten Namen vergessen ließen.
»Ich wollte nur mal hören, ob du heute Abend hier isst oder ob du ausgehen willst«, sagte sie. Ich beobachtete, wie sie hereinkam und mich dabei absichtlich ignorierte. Was mir ein kleines Lächeln entlockte.
Sie mochte mich nicht. Ich hatte sie bei Rushs und Blaires Verlobungsfeier kennengelernt und mich dann bei deren Hochzeitsempfang mit ihr unterhalten. Beide Male hatte ich es voll vergeigt.
»Ich wollte eigentlich ausgehen. Muss dringend mal wieder ein bisschen Party machen. Ich hänge schon viel zu lange zu Hause rum.«
»Oh. Okay«, sagte sie mit dieser sanften Stimme, die einfach umwerfend war.
Kiro runzelte die Stirn. »Fühlst du dich einsam? Hast du’s allmählich doch satt, dich immer nur mit Büchern in deinem Zimmer zu verkriechen?«
Ich konnte einfach nicht aufhören, Harlow anzusehen. Für gewöhnlich machte sie sich rar, wenn ich hier war. Gut, Nan war auch nicht gerade freundlich zu ihr. Sie konnte Harlow nicht ausstehen und war rasend eifersüchtig auf sie. Dabei war es ja nicht Harlows Schuld, dass Kiro sie liebte und Nan ihm anscheinend scheißegal war. Harlow brachte jeden Raum zum Leuchten, den sie betrat. Sie hatte so etwas Friedvolles an sich, das sich nur schwer erklären ließ. Man wollte ihr einfach nur möglichst nahe sein, damit davon vielleicht etwas auf einen selbst abfärbte. Sie machte es sogar so jemand Selbstsüchtigem wie Kiro leicht, sie zu lieben. Wohingegen Nan es schon einem normalen
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