Erfuellung
stieß Giroux von sich und blockte einen Schlag ab. Er duckte sich und entging damit einer Geraden zum Kopf. Jean-François brüllte irgendetwas, sein Gesicht vor Zorn und Schmerz verzerrt.
Corinnes Vater eilte im selben Moment hinzu, in dem die Sicherheitsleute mit gezogenen Elektroschockpistolen angerannt kamen. Gideon wich Giroux aus und verteidigte sich, ohne selbst ein einziges Mal zuzuschlagen. Seine Miene war wie versteinert, seine Augen eisig und fast so leblos wie die von Giroux.
Giroux schrie Gideon an. Da Corinnes Vater die Tür nicht hinter sich geschlossen hatte, konnte ich einen Teil von dem verstehen, was er sagte. Das Wort enfant bedurfte dabei keiner Übersetzung. In meinem Innern wurde plötzlich alles totenstill, jegliche Geräusche versiegten, bis auf das Summen in meinen Ohren.
Alle eilten aus dem Raum, während Gideon und Giroux von den Sicherheitsleuten mit Plastikfesseln ruhiggestellt und zu einem Aufzug geführt wurden. Ich blinzelte ungläubig, als Angus im Eingang auftauchte, da ich sein Erscheinen zuerst für Einbildung hielt.
»Mrs. Cross«, sagte er leise und trat mit der Mütze in den Händen zu mir.
Ich hatte nur eine reichlich vage Vorstellung davon, wie ich in diesem Moment aussah. Das Wort Baby und alles, was damit womöglich gemeint sein konnte, hatten mich erstarren lassen. Schließlich hatte Corinne sich in New York aufgehalten, seit ich Gideon überhaupt kannte … ihr Ehemann dagegen nicht.
»Ich bin gekommen, um Sie nach Hause zu bringen.«
Ich sah ihn fragend an. »Wo ist Gideon?«
»Er hat mir eine SMS geschickt und mich gebeten, Sie zu holen.«
Meine Verwirrung wich einem stechenden Schmerz. »Aber er braucht mich.«
Angus atmete tief ein, und in seinen Augen erkannte ich Mitleid. »Kommen Sie mit mir, Eva. Es ist schon spät.«
»Er will nicht, dass ich hierbleibe«, sagte ich ausdruckslos. Es war die einzige Sache, die ich langsam begriff.
»Er möchte, dass Sie zu Hause sind und sich keine Sorgen machen.«
Meine Füße schienen am Boden angewachsen zu sein. »Stand das in seiner SMS?«
»Das denkt er gerade.«
»Sie sind sehr nett.« Ich setzte einen Fuß vor den anderen, als wäre ich auf Autopilot geschaltet.
Im Flur mussten wir an einem Krankenpfleger vorbei, der gerade die Schweinerei beseitigte, die Giroux verursacht hatte, als er gegen einen Versorgungswagen gestoßen war. Die Art, wie er es vermied, mich anzusehen, schien die grausame Wirklichkeit nur zu bestätigen.
Ich war aufs Abstellgleis geschoben worden.
22
In dieser Nacht kam Gideon nicht nach Hause. Bevor ich ins Büro ging, schaute ich noch in seiner Wohnung nach und stellte fest, dass die Betten unberührt waren.
Wo er die Nacht auch verbracht haben mochte, er war nicht an meiner Seite gewesen. Nach der Enthüllung über Corinnes Schwangerschaft war ich fassungslos, dass ich ohne Erklärung einfach allein gelassen worden war. Ich hatte das Gefühl, dass diese Riesenbombe vor mir explodiert war, und nun stand ich mitten im Chaos, allein und verwirrt.
Angus und der Bentley warteten unten auf mich, als ich aus dem Apartmenthaus trat. Ich war plötzlich stinksauer. Jedes Mal, wenn Gideon sich von mir zurückzog, schickte er Angus als Ersatz.
»Ich hätte Sie heiraten sollen, Angus«, murmelte ich, als ich auf den Rücksitz glitt. »Sie sind immer für mich da.«
»Gideon ist derjenige, der dafür sorgt«, antwortete er, bevor er die Tür schloss.
Stets loyal , dachte ich bitter.
Als ich ins Büro kam und erfuhr, dass Megumi immer noch krank war, war ich gleichermaßen besorgt um ihretwillen wie erleichtert um meinetwillen. Es sah ihr so gar nicht ähnlich, nicht zur Arbeit zu kommen – sie saß immer schon frühzeitig an ihrem Schreibtisch. Ihre Abwesenheit war ein deutliches Zeichen, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Aber solange sie nicht hier war, konnte sie auch meine Stimmung nicht erahnen und Fragen stellen, die ich nicht beantworten wollte – und im Grunde nicht einmal beantworten konnte . Ich hatte keine Ahnung, wo mein Mann war, was er tat oder fühlte.
Und ich war wütend und verletzt deswegen. Das Einzige, was ich nicht empfand, war Angst. Gideon hatte recht gehabt, dass die Ehe ein Gefühl der Sicherheit bot. Unsere Verbindung konnte er nur mit einer gewissen Anstrengung wieder lösen. Er konnte nicht einfach verschwinden oder mich für immer ignorieren. In jedem Fall musste er sich irgendwie mit mir auseinandersetzen. Die einzige Frage lautete: Wann?
Ich
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