Erhört: New Tales of Partholon 4 (German Edition)
Anblick des Monsters wusste Cuchulainn sofort, womit er es zu tun hatte. Dann veränderte die Zeit sich wieder und raste so schnell dahin, dass Bewegungen und Klänge verschwammen und surreal wurden. Die Kreatur hatte innegehalten, und ihr Blick traf Cuchulainns. Das befriedigende Zischen, das Brighids Pfeil verursachte, als sie ihn abschoss, war das tödliche Echo des Klirrens von Cuchulainns Schwert, das er aus der Scheide zog. Die Kreatur sprang zur Seite, und selbst als der Pfeil sich bis zur Feder in ihre Schulter bohrte, hielt das Wesen Brenna vorsichtig, als dächte es in einem kranken Teil seines Gehirns, es müsse auf sie aufpassen.
„Brenna!“ Der Name explodierte in Cuchulainns Kehle, während er über die Lichtung stürmte.
Die Kreatur stand stumm da und machte keine Anstalten, wegzulaufen oder sich zu verteidigen. Nur ihre Flügel bewegten sich. Sie raschelten und öffneten sich, aber die grauen Augen der Kreatur bewegten sich nicht. Cuchulainn spürte Brighid und den Rest seiner Mannschaft hinter sich, als er sich dem Wesen näherte. Er versuchte Brenna nicht anzuschauen, versuchte, nicht zu sehen, wie blass und bewegungslos sie war. Als er eine Armeslänge von der Kreatur entfernt war, sprach sie.
„Ich kam zu spät. Sie ist tot.“
Seine Stimme war tief und kräftig. Die Traurigkeit, die darin lag, traf Cuchulainn wie ein Faustschlag. Er zielte mit seinem Schwert auf den Hals der Kreatur. „Leg sie ab und stell dich deinem Schicksal.“
Langsam kniete sich das geflügelte Wesen hin und legte Brennas bewegungslosen Körper vorsichtig ins Gras. Als es sich wiedererhob, traten die Arbeiter geschlossen ein paar Schritte vor, doch Cuchulainns barscher Befehl ließ sie innehalten.
„Nein! Er gehört mir. Ich werde ihn töten.“
Er stürzte sich auf die Kreatur, die keinen Widerstand leistete.
Kurz bevor die Klinge seines Schwertes durch den Hals des Monsters fuhr, sprach die Kreatur erneut, und Cuchulainn ließ den Arm sinken, sodass sein Schwerthieb einen der Flügel zerriss und noch einmal in dieselbe Schulter fuhr, die der Pfeil getroffen hatte, anstatt dem Wesen die Kehle durchzuschneiden.
„Elphame!“
Der Name schien lebendig zu werden. Er schwebte in der Luft wie ein Gebet, bis er in den Himmel emporgehoben wurde.
Cuchulainn kniff die Augen zusammen und hielt sein Schwert bereit, die Klinge auf den Kehlkopf der Kreatur gerichtet.
„Wie kannst du es wagen, den Namen meiner Schwester auszusprechen!“ Er spuckte die Worte förmlich aus.
Lochlan hatte ein Knie gebeugt. Sein zerrissener Flügel hing hilflos und schlaff auf den blutigen Boden, und mit einer Hand versuchte er die Blutung aus seiner verwundeten Schulter zu stoppen. Dabei schaute er Cuchulainn unverwandt an, und seine Stimme war fest und sicher, als er sprach: „Ich spreche den Namen meiner Clanführerin mit dem Recht des Blutes und des Schwures aus, und ich fordere das Clanrecht, von ihr angehört zu werden. Sie allein mag über mein Schicksal entscheiden.“
„Du bist keiner vom MacCallan-Clan“, stieß Cuchulainn aus.
Lochlan kämpfte sich auf die Füße. Er biss die Zähne gegen den Schmerz zusammen und gab seine Erklärung mit einer Stimme ab, die von den alten Eichen widerhallte: „Meine Mutter war Morrigan, die jüngste Schwester des MacCallan, der über dieses Land geherrscht hat. Heute fordere ich öffentlich mein Geburtsrecht ein. Nur die MacCallan selbst kann mir das verwehren.“
„Bring ihn zu deiner Schwester.“ Brighids Stimme durchschnitt die Stille, die sich über die Lichtung gelegt hatte. „Sie hat Brenna ebenso sehr geliebt wie du. Es wird ihr großes Vergnügen bereiten, dieses Biest geköpft und ausgeweidet zu sehen.“
Während Brighids Worten schaute Cuchulainn die Kreatur genauer an. Die Flügel, Krallen und Zähne sagten unleugbar, dass er ein Fomorianer war, doch trotz seiner Wut und seiner Trauer konnteCuchulainn eindeutig die menschlichen Züge erkennen.
„Fesselt seine Hände und bindet ihn an meinem Sattel fest. Wenn er nicht selbst zur MacCallan gehen kann, werde ich ihn halt zu ihr schleifen.“
Widerstandslos ließ sich Lochlan fesseln. Cuchulainn sank derweil neben Brenna auf die Knie und berührte ihr Gesicht. Sie war so blass und kalt – ihre Haut war so kalt. Sie sah friedlich aus, als würde sie einfach nur schlafen. Abgesehen von ihrem Hals. Das Biest hatte ihr ein faustgroßes Stück Fleisch herausgerissen. Cuchulainn merkte, wie die Erkenntnis ihres Todes langsam
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