Erhört: New Tales of Partholon 4 (German Edition)
Zentaurin. Sie war so leicht, es fühlte sich an, als wären ihre Knochen mit Luft gefüllt. Ihr nasses Haar roch nach Regen und frischem Gras. Vorsichtig setzte er sie auf dem Boden ab und verbeugte sich galant vor ihr, doch sie schaute ihn nicht einmal an. Sie und die Jägerin waren bereits auf dem Weg in den Garten des Inns. Brennas süße Stimme schwebte auf dem leichten Abendwind zu ihm herüber.
„Vielen Dank, Brighid. Es tut mir leid, dass ich so einen schlechten Sitz habe. Ich bin noch nie eine gute Reiterin gewesen …“
„Wo starrst du hin?“ Elphame stieß Cu gegen die Schulter.
Das fragte Cuchulainn sich auch. Er schüttelte den Kopf und platzte dann mit dem ersten rationalen Gedanken heraus, der ihm in den Sinn kam: „Eine Zentaurin der Dhianna-Herde hat einen Menschen auf sich reiten lassen?“
Seine Schwester zog vielsagend eine Braue hoch und schaute ihn an. „Ja.“
„Und es sind euch keine Fomorianer gefolgt?“
„Mir sind keine aufgefallen, aber vielleicht solltest du dich noch einmal genauer umsehen – ich werde dir einen Platz beim Essen frei halten“, sagte sie unschuldig. Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, musste sie lachen. „Es war schlicht einfacher, Cu. Brenna konnte nicht mit uns mithalten, und wir waren in Eile, weil ich einen besorgten Bruder mit einem starken Beschützerinstinkt habe, bei dem ich mich rechtzeitig zurückmelden musste. Also hat Brighid ihr angeboten, sie mitzunehmen. Ich konnte sie ja schlecht auf meinen Schultern tragen. Es war die einzig logische Lösung.“
„Außer, man ist ein Dhianna-Zentaur. Dann wäre das einzig Logische, den Menschen bis zur Erschöpfung und darüber hinaus laufen zu lassen.“
In Elphame regte sich Wut. „Wäre Brighid eine typische Vertreterin der Dhianna-Familie, wäre sie nicht hier. Ich will, dass du ihr eine Chance gibst. Sie ist meine Freundin.“
Sie ist meine Freundin. Diese Worte hatte Cuchulainn noch nie von seiner Schwester gehört. Das Wunder, sie ebendiese Worte aussprechen zu hören, ließ sein Misstrauen gegenüber der Jägerinselbstsüchtig und kleinlich erscheinen.
„Es tut mir leid, El.“ Er hakte sie unter. „Du hast recht. Das Einzige, was mich an der Jägerin wirklich stört, ist ihr Name.“ Natürlich war er auch nicht sonderlich erfreut vom sarkastischen Ton, in dem sie mit ihm sprach, aber der Ausdruck in den Augen seiner Schwester verriet ihm, dass er das lieber nicht ansprechen sollte.
„Dann wirst du ihr eine Chance geben?“, fragte sie hoffnungsvoll.
„Natürlich, El“, erwiderte er. „Ich muss zugegeben, dass ich vielleicht etwas überreagiert habe. Ich hatte so ein vages, nicht greifbares Gefühl, das ich nicht einordnen konnte.“ Er hielt dem Blick seiner Schwester stand und bat sie stumm, ihn zu verstehen. „Vielleicht waren es nur die Vorboten der Veränderung, die bei dir stattfindet, die mich verunsichert haben.“
„Veränderung bei mir? Was meinst du damit?“
„Es ist offensichtlich, dass du den richtigen Weg für dein Leben eingeschlagen hast. Du gehörst auf die MacCallan-Burg, El. Sogar die Steine heißen dich willkommen. Und sieh dich nur an, du lachst in der Öffentlichkeit und schließt Freundschaften.“
Elphames dunkle Augen funkelten. „Ich schließe Freundschaften.“ Sie wiederholte die Worte, als wären sie ein Gebet.
„Wie gesagt, ich habe vorhin überreagiert“, gestand er widerstrebend ein. „Ich schätze, ich habe zu viele Schauermärchen darüber gehört, dass die Burg verflucht ist und die Seelen der Gefallenen in ihr herumspuken. Ich will versuchen, ein wenig lockerer zu werden.“
Schauergeschichten? Sie schaute ihren Bruder genauer an. Sein Lächeln war frei und offen, es sagte ihr deutlicher als seine Worte, dass auch er sich nun sicher war, dass sie auf die MacCallan-Burg gehörte. Was würde allerdings geschehen, wenn sie ihm erzählte, dass sie tatsächlich von einem Geist eines gefallenen MacCallan heimgesucht worden war – und zwar von dem MacCallan? Sie wusste genau, was passieren würde. Cu mied das Reich der Spiritualität und ging ihm möglichst aus dem Weg. Das war schon immer so gewesen, obwohl er mit einer seltenen Gabe gesegnet war. Wenn sie ihm von ihrem geisterhaften Besucher erzählte, würde er ohne Zweifel zu seiner alten, übermäßig beschützenden Art zurückkehren und jeden ihrer Schritte beobachten.
Außerdem verstand sie selbst noch nicht ganz, warum MacCallanihr erschienen war. Sein Besuch war ihr wohlwollend
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