Erhört: New Tales of Partholon 4 (German Edition)
gesessen hatte. Es war offensichtlich gewesen, dass sie in Wahrheit nur nach einer Gelegenheit suchten, Brighid vorgestellt zu werden. Elphame hatte das Treiben mit wachsender Neugierde beobachtet. Die Jägerin war ein Musterbeispiel an anmutiger Zurückhaltung. Sie benahm sich ihren Bewunderern gegenüber höflich – höflich und desinteressiert. Eine Haltung, die die Zentauren augenscheinlich noch stärker für sie entflammen ließ. Sogar die menschlichen Männer hatten der attraktiven Jägerin wohlwollende Blicke zugeworfen. Cu hatte El flüsternd gestanden, wie sehr ihn das nervte. Er hatte Brighid die Eisprinzessin genannt. Elphame dachte, dass Eisprinzessinnen offensichtlich eine sehr begehrte Spezies waren.
„Hey“, riss Cu sie aus ihren Überlegungen. „Du hast ein dümmliches Grinsen im Gesicht.“
„Das ist kein dümmliches Grinsen, sondern ein glückliches.“
„Schlaf jetzt, El. Sogar deine Freundinnen haben endlich aufgehört zu reden.“
Sie schaute zu den beiden dunklen Schatten hinüber, die still geworden waren, und merkte mit einem Mal, wie schwer ihre Augenlider waren. Daher rollte sie sich auf die Seite und sah ihren Bruder an. „Wann wirst du dich schlafen legen, Cu?“
„Bald, Schwester mein.“
Cuchulainn legte noch ein Scheit Holz nach, lehnte sich mit dem Rücken an einen Baumstamm und sah zu, wie Elphame die Augen schloss und ihre Atmung ruhiger und tiefer wurde. Sein Blick glitt zu den anderen beiden Frauen. Beide schienen tief und fest zu schlafen. Die Heilerin lag zusammengerollt auf der Seite und hatte ihm den Rücken zugewandt. Die Menschen hatten sie an diesem Abend in Ruhe gelassen; er hatte sich extra neben sie gesetzt, um dafür zu sorgen. Er sagte sich, dass dieser Wunsch, sie zu beschützen, daher rührte, dass Brenna seiner Schwester wichtig war. Außerdem entsprach das dem Gelübde, das er geleistet hatte, als er Krieger geworden war. Er hatte versprochen, die zu beschützen, die Schutz brauchten. Dann erinnerte sich an den Duft ihrer Haare und daran, wie sie sich in seinen Armen angefühlt hatte, als er sie vom Rücken der Zentaurin gehoben hatte.
Er wandte den Blick von Brennas Rücken ab und blickte direktin die offenen Augen der Jägerin. Unter ihrem stillen wissenden Blick wurden seine Wangen heiß.
„Ich übernehme die erste Wache. Ich wecke dich, wenn der Mond seinen Wendepunkt erreicht hat.“ Ohne auf seine Antwort zu warten, stand sie auf und verschwand wie ein schlanker silberner Geist im Wald.
Cuchulainn hörte die gedämpften Geräusche, die davon zeugten, dass sie sich durch das Unterholz bewegte und langsam im Kreis um das Lager ging.
„Verdammte Eisprinzessin“, schimpfte er leise vor sich hin. „Soll sie ruhig einen Teil der Wache übernehmen. Ich will verflucht sein, wenn ich mich deswegen mit ihr streite.“
Unruhig verlagerte er sein Gewicht, um eine bequemere Position zu finden. Er dachte daran, dass er es kaum erwarten konnte, endlich wieder in einem richtigen Bett zu schlafen, und daran, wie nervtötend die Jägerin war und wie viel Arbeit ihnen noch bevorstand … Er dachte an alles, was ihm einfiel, um die Erinnerung an die Heilerin mit der samtigen Stimme und dem vernarbten Gesicht zu verdrängen, die nach Regenwasser und frischem Gras roch.
Der Schlaf hüllte Elphame wie eine liebende Mutter ein, und bald fing sie an zu träumen. In ihrem Traum lief sie durch einen Wald mit alten Eichen, die alle genauso aussahen wie die, unter der ihr schlafender Körper ruhte. Es war Nacht, aber der Himmel war hell erleuchtet, der Vollmond schien auf den Wald wie eine Fackel, gemacht aus Schnee und Feuer. Der Boden ihres Traumwaldes war bar jeglichen Unterholzes, und es gab keine verborgenen Löcher oder Wurzeln, über die ihre Hufe stolpern konnten. Sie atmete tief und gleichmäßig, streckte die Beinmuskeln und verlängerte ihre Schritte, sodass der Wind ihr ins Gesicht peitschte und die Bäume zu verschwommenen Flecken wurden.
Sie liebte es, lange und schnell zu laufen. Ihr Traum erinnerte sie daran, wie viel Zeit vergangen war, seit sie es zum letzten Mal getan hatte. Das war am Tag vor ihrer Abreise aus Eponas Tempel gewesen. Zu lange her, schalt ihr Unterbewusstsein.
Der Waldboden stieg leicht an. Elphame lief weiter und genoss das Brennen in ihren Muskeln, als sie die Steigung bezwang. Sie brach aus dem Wald und stand mit einem Mal auf einer kleinen Lichtung,in der dichter Nebel hing. Schwer atmend blieb sie stehen. Der Nebel waberte
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