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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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die Zeltplane vom Rahbaum abzunehmen, dann stieg er langsam aufs Bugdeck. »Onkel. Heute Nachmittag lasse ich noch das Segel überprüfen, dann sind wir so weit.« Er senkte den Kopf, schabte mit der Fußspitze über die Planken. »Morgen in aller Frühe laufen wir aus. Wenn du einverstanden bist.«
    »Du hast zu entscheiden, Junge.« Tyrkir legte schmunzelnd die Peilscheibe aus der Hand. »Schiffsführer! Dein Lotse meldet: Wir haben beständigen Südwest. Nichts hält uns mehr hier in Drimore.« Als ihm Leif sofort den Rücken zuwandte, erschrak er und sagte leise: »Es ist besser so, glaub es mir!«
    »Vielleicht hast du Recht. Ich muss den Proviant überprüfen.«
    Tyrkir sah ihm schuldbewusst nach. In stummer Übereinkunft hatten beide bisher vermieden, über die vergangenen Wochen zu sprechen. Keine Vorwürfe, keine Erklärungen. Wie konntest du nur jetzt so ungeschickt sein, klagte er sich an. Eine offene Wunde verträgt keinen Scherz, gerade du solltest das wissen.
    Morgen würden sie Segel setzen und diesem Ort den Rücken kehren. Nur noch wenige Stunden und dann durften sie Thorgunna endlich vergessen. Tyrkir stockte. Rasch warf er sich den Mantel um die Schultern, schon an der Außenleiter rief er dem Steuerknecht zu: »Ich muss noch eine Besorgung machen. Richte Leif aus, dass ich bald wieder zurück bin.«
    War ihm beim ersten Mal das Herz auch sorgenschwer, so folgte er jetzt beschwingt dem Pfad durch die hügeligen Wiesen. Auch das wütende Gekrächz der Raben störte ihn nicht.
    Trude kauerte auf ihrem Grasdach und melkte eins der Schafe. Ohne die Arbeit zu unterbrechen, fragte sie: »Bist du nicht doch ein Christ?«
    »Ist das so wichtig? Dein Heiltrunk hat gewirkt.«
    »Und warum störst du mich noch?« Aus vorgeschobener Unterlippe blies sie eine lästige Strähne zur Seite. »Mir hat’s Spaß gemacht, diesem Luder zu zeigen, wer von uns beiden immer noch die Bessere ist.«
    »Ich wollte dir danken.«
    Trude fuhr zusammen, hätte beinah die Milchschale umgestoßen und pfiff ihren Raben. »Ruhe jetzt!« Misstrauisch sah sie ihn an. »Das hab ich lange nicht mehr gehört. Sag’s noch mal!«
    »Du hast meinen Ziehsohn gerettet.« Tyrkir zog ein großes Stück Hacksilber aus der Tasche. »Und dafür wollte ich dir danken.«
    »Klingt schön.« Sie strich wieder an den Zitzen. »Bezahlt hast du mich schon. Also behalt dein Geld!«
    »Wir verlassen morgen Drimore in Richtung Norwegen und du verlierst mich als Kunden. Bitte, nimm das Silber!«
    »Also gut. Leg’s einfach ins Gras, einer meiner schwarzen Schafhirten bringt es mir schon und dann kannst du verschwinden.«
    Tyrkir war schon halb den Hügel wieder hinaufgestiegen, da hörte er die Völva rufen: »He, Deutscher! Viel Glück. Ich werde bei der Göttin Ran ein gutes Wort für dich einlegen. Also keine Sorge, euer Schiff kommt heil nach Norwegen.«
    Nur kurz blickte er zurück, ging weiter und winkte, bis er die Kuppe überschritten hatte.
    Auf dem Hafenvorplatz zögerte Tyrkir bei der Bude eines Schmuckhändlers. Zwei zierliche, fein gestochene Silberbroschen verlockten ihn zum Kauf. Ich sollte sie Thjodhild mitbringen.
    »Beste englische Arbeit«, pries der Mann seine Ware an. »Ich habe die beiden Stücke auf dem Markt in York vom Künstler selbst erworben.«
    York? Sofort lag Tyrkir wieder dieser Geschmack nach süßlichen Gewürzen auf der Zunge. Nein, selbst an York will ich nicht erinnert werden. Ohne ein Wort gab er dem Verkäufer die Broschen zurück und eilte zum Strand hinunter.
    Das Glück stolperte. O großer Tyr! Schon von weitem entdeckte er sie.
    Thorgunna. In Reisehaube und Mantel stand sie vor Leif und redete auf ihn ein. Schlimmer noch, zwei ihrer Sklaven warteten in der Nähe bei den Pferden und ein Gaul war bepackt mit Körben und einer Holztruhe. Mein göttlicher Freund, flehte Tyrkir, lass uns jetzt nicht im Stich!
    Mit einem kurzen, bösen Seitenblick wurde er von Thorgunna bedacht und gleich richtete sie die Augen wieder auf den zitternden Eriksohn. »Warum, du Stern meines Herzens?«, gurrte sie dunkel. »Warum willst du deine Liebste nicht mitnehmen? Sag mir irgendeinen triftigen Grund, den ich glauben kann.«
    Die Gedanken schwirrten Tyrkir durch den Kopf. Ich darf nicht eingreifen. Um seiner Würde willen muss der Junge diese Prüfung selbst bestehen. Wie aber kann ich helfen? Langsam trat er zwei Schritte zurück. So konnte er unbemerkt von Thorgunna mit dem Ziehsohn wenigstens in Blickkontakt bleiben.
    Das Blut

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