Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
die Fäuste hinter dem Rücken. »Oder befinden wir uns hier vor den Schranken eines Gerichts.«
»Hast du etwas anderes erwartet, Sohn? Dies ist ein Hausthing. Meine Stellung und das heilige Gesetz erlauben es mir, dich und den Deutschen zu verurteilen.«
»Du versteckst dich hinter dem Gesetz, ausgerechnet du, Erik der Rote? Ich kann das nicht glauben. War denn alles falsch, was der Onkel mir erzählt hat? Dieser Prozess gegen dich auf Island? Damals riss dieses heilige Gesetz unsere Familie auseinander.« Der Angriff zeigte Wirkung und Leif schlug nach: »Bist du schon so alt, dass du diese Ungerechtigkeit vergessen hast? Nein, ich will es nicht glauben, weil ich dich achte, Vater.«
Erik sah lange zum Windauge hinauf, als er wieder zurückkehrte, hatte seine Stimme an Kälte verloren. »Es war eine schwere Zeit, Junge. Und ich glaubte, sie endgültig hinter mir gelassen zu haben. Bis du und Tyrkir mir das Kreuz gezeigt habt …« Er fuhr sich durchs Haar. »Nein, ich will nicht urteilen, ehe ich zugehört habe. Wie konnte es zu diesem Unglück kommen?«
Am Tisch seufzte Thjodhild erleichtert. Ein erster kleiner Schritt aufeinander zu war gelungen. Vielleicht fand sich doch ein Ausweg.
»Zunächst wurden wir auf die Hebriden verschlagen. Erst nach einigen Wochen hatten wir Südwest und konnten weitersegeln.« Mehr gab Leif von dem Aufenthalt dort nicht preis. Und da der Onkel keine Miene verzog, fuhr er fort: »So gelangten wir erst Ende August nach Norwegen und ankerten im Hafen von Trondheim. Bald schon ließ uns König Olaf Tryggvasson zu sich rufen. Vater, es kam uns vor, als hätten wir eine andere Welt betreten …«
»Spar dir das auf für später, Sohn! Jetzt will ich nur wissen, wie dich dieser Gott eingefangen hat.«
»Aber der Königshof hat damit zu tun. Olaf Tryggvasson ist zum christlichen Glauben übergetreten.«
Der Sohn gab dem Vater keine Gelegenheit, sich von der Neuigkeit zu erholen, schnell sprach er weiter und Erik krallte die Hand in den Bart, als müsse er sich festhalten. In der Nähe des Königs gab es keinen mehr, der nicht getauft war. Olaf missionierte selbst und hatte sich zum Ziel gesetzt, den alten Götterglauben auszumerzen. Mit seiner Leibgarde reiste er von einem Bezirk zum nächsten, wer sich widersetzte, der wurde von den Berserkern mit Feuer und Schwert zur Taufe gezwungen oder verlor sein Leben auf grausame Art. »Vater, wir mussten mit ansehen, wie ein Mann, der nicht gehorchte, gefoltert wurde. Vergeblich, er ließ von Odin und Thor nicht ab. Da wurde ihm ein Sperrholz zwischen die Zähne gesteckt, damit eine Schlange in seinen Mund kriechen konnte. Auch die Otter weigerte sich. Auf Befehl des Königs band der Henker dem Tier ein glühendes Eisen an den Schwanz. Und die Schlange kroch in die Mundhöhle, den Schlund hinunter und fraß die Weichteile des Mannes.«
Thjodhild fror mit einem Mal. Was mag das für ein Gott sein? Wenn er mit solcher Grausamkeit die Menschen zwingt, an ihn zu glauben.
Ruhig lehnte sich Erik zurück. »Angst. Jetzt begreife ich langsam.« Er betrachtete seinen Sohn und den Freund. »Aus Angst seid ihr Christen geworden, weil Olaf euch sonst getötet hätte. Sehr schlau. Keine Sorge, hier seid ihr vor ihm in Sicherheit und könnt also dieses Kreuz wieder ablegen.«
Tyrkir zog sich einen Hocker heran, auch ohne Erlaubnis nahm er vor Erik Platz. »Nein, nein. So einfach ist die Sache nicht. Der Arm des Königs reicht weit.«
»Was schert mich Norwegen. Hier bestimme ich.«
»Darüber lass uns später reden. Bisher kennst du nur einen Grund, warum es ratsam ist, zum Christenglauben überzuwechseln. Meinetwegen nenne ihn Angst. Dazu aber kommt jetzt Vernunft.« Tyrkir rieb sich den Ohrwulst. »Ich denke da an unsere Geschäfte. Weißt du, dass wir nicht ein Fell in Trondheim losgeworden wären, wenn sich Leif nicht hätte taufen lassen oder wenigstens das Kreuz angenommen hätte? Die Christen handeln nicht gern mit Heiden.«
»Heiden?«
»Ja, so werden alle genannt, die noch die Götter in Walhall verehren. Wir müssen umdenken, mein Freund, und zwar rasch, sonst kauft uns bald niemand mehr die Waren ab. Wir verlieren unsere Geschäftsbeziehungen und damit auch den Wohlstand.«
»Das glaub ich nicht. Unsere Webstoffe, die Pelze und unser Elfenbein werden wir überall los.«
»Vater.« Leif ging näher zu ihm. Beschwörend hob er die Hände. »Längst ist eine neue Zeit angebrochen, nur wir haben es auf Grönland noch nicht
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