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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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und Weihwasser heiligen, ehe es zu spät ist.«
    »Du kennst dich schon gut aus, Schlaukopf. Und besonders freundlich scheint mir euer Gott ja nicht zu sein.« Der Scherz gelang dem Hünen nicht. »Meinetwegen, wählt für ihn einen geeigneten Platz aus. Aber weit genug weg von meinem Wohnhaus. Da fühle ich mich sicherer.«
    Leif senkte den Kopf. »Danke, Vater!«
    »Sag das deiner Mutter, nicht mir. Ich …« Mit einer fahrigen Geste deutete Erik über die Wiesen. »Ich muss rauf zu meinem Damm, muss die Mauer überprüfen«, und war schon auf dem Weg. Über die Schulter rief er zurück: »Die Christenleiche ist euer Problem. Schafft sie weg!«
    Eine Weile blickten ihm die beiden nach. »Meinst du, Onkel, er wird sich bekehren lassen?«
    »Besser wäre es für uns alle. Doch ich kenne diesen Dickschädel. Wir müssen abwarten.« Tyrkir wies auf den Toten. »So schrecklich unser Bootsknecht auch gestorben ist. Wir sollten ihm dankbar sein.«
    Leif begriff nicht und der Onkel lächelte leicht: »Ohne großen Kampf haben wir von deinem Vater etwas Land bekommen. Das erste Stück eigenen Boden für die Christen auf Grönland! Unantastbar! Verstehst du jetzt? Und nicht nur für die Verstorbenen, warum soll neben dem Friedhof nicht auch Platz für Lebende sein.«
    »Pater Ernestus.« Leif schlug sich an die Stirn. »Du bist wirklich ein Schlaukopf, Onkel. Wir bauen dem frommen Mann eine Bleibe und er kann vom Schiff dorthin ziehen. Nein, ich hab noch eine bessere Idee, wir könnten ihm gleich die Kirche daneben stellen.«
    »Der Hafen ist noch weit, Junge«, dämpfte Tyrkir den Übereifer. »Ein kleines Haus mit Herdstelle und wettersicherem Dach genügt fürs Erste. Diese kleine List möge Gott mir verzeihen. Dein Vater ist und bleibt mein bester Freund. Ich möchte ihn so wenig wie möglich reizen, sonst wird er nie zum Glauben finden.« Sein Blick streifte noch einmal kurz über den Toten. »Doch jetzt sollten wir uns beeilen.« Tyrkir stutzte und betrachtete das Kittelhemd genauer. Nicht der blutverklebte Brustbereich interessierte ihn, er deutete auf einen handtellergroßen Fleck tiefer unten. »Die Verletzung am Hals hat ihn getötet. Woher aber stammt dieses Blut da?«
    Leif befreite die Leiche vom Heurechen und zerrte den Kittel nach oben. Über dem Schamhaar steckte ein abgebrochener Pfeil im Unterleib. »Verflucht«, flüsterte er. »Und was jetzt, Onkel?«
    »Ich weiß es noch nicht, Junge.«
    Bedrohten Feinde den Erikshof? Der Gedanke erschreckte zuerst, dann stellten sich Zweifel ein. Es gab keine Fehde mit irgendeinem Nachbarn. Aber die Schusswunde war nicht zu leugnen. Also doch Feinde? Wie aber war der Bootsmann ihnen zum Opfer gefallen? Angenommen, er hätte oben im Heu geschlafen. Kein noch so guter Bogenschütze hätte ihm in die Eingeweide schießen können. Demnach musste der Knecht direkt an der Speicheröffnung gestanden haben, ein leichtes Ziel, und getroffen war er in den Heurechen gestürzt. »Nein, unmöglich.« Tyrkir glättete das Kittelhemd. »Es gibt kein Einschussloch. Das Blut hat von innen den Stoff getränkt.«
    »Folglich war er nackt.« Trotz der ernsten Lage grinste Leif. »Er streckte da oben seinen Schwanz aus der Luke, weil er pinkeln wollte. Das ist die Lösung, Onkel.«
    Sein Ziehvater suchte den Boden um die Leiche ab. »Dann müsste der Federschaft hier liegen. Nein, Junge. Der Bootsmann hat einen Stich erhalten und noch ehe er hinunterstürzte, ist der Pfeil abgebrochen worden. Ohne Zweifel kannte er die Person, sonst hätte er nicht vor ihr den Unterleib entblößt. Es gibt keinen Feind, dafür aber einen Mörder!«
    »Du meinst eine Magd? Er hat sich mit ihr im Heu getroffen? Dann ein Streit?«
    »Nicht weiter«, unterbrach Tyrkir den Ziehsohn scharf. »Wir müssen uns entscheiden. Und zwar sofort.« Wenn sie auf Eriks Rückkehr warteten, gäbe es eine langwierige Befragung. Vielleicht würde sogar eine Magd überführt. Ein verbotenes Treffen mit einem Christen! »Sie wird aus Not zum Pfeil gegriffen haben und kommt sicher ohne Strafe davon. Deinem Vater aber bietet der Vorfall nur einen Grund mehr, die Christen in schlechtem Licht zu sehen.« Tyrkir nickte grimmig. »Der Knecht ist in den Heurechen gefallen. Dabei sollte es bleiben. Wir müssen jetzt unsere Chance nutzen und das Stück Land abstecken, ehe Erik es sich anders überlegen kann.«
    Leif war einverstanden, nahm sich aber vor, die Augen nach der Mörderin offen zu halten. Sie teilten sich die Aufgaben.

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