Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
Bedingung.«
Erst wehrte Leif heftig ab und Tyrkir ließ ihn fluchen, herumrennen wie ein ungebärdiges Pferd. Satz für Satz zog er die Leine näher an sich heran und schließlich stand der Ziehsohn ruhig und gefasst wieder vor ihm. »Ich gebe zu, Onkel, wir haben die Unruhe gebracht. Jetzt einfach weglaufen wäre feige. Das hat Mutter nicht verdient, auch der Vater nicht.« Weit schleuderte er den Kiesel übers Wasser. »Aber du bist mein Lotse. Aus dem gegebenen Wort entlasse ich dich nicht.«
»Ich stehe dazu, Junge.« Tyrkir saß auf und forderte den Bericht des Schiffsführers. Proviant für einige Wochen. Waffen. Die Mannschaft wurde gebildet aus zwanzig eigenen Bootsknechten und zehn steuerte Egil vom Nachbarhof bei. »Sehr gut, Junge! Übermorgen wird dein Lotse an Bord kommen und einen Gast mitbringen.«
Thjodhild erwartete den Freund am Rand der Hauswiese. Er winkte ihr zu, wollte mit der Geste schon trösten, ehe er den steilen Pfad ganz hinaufgelangt war. Indes erst seine Worte gaben ihr Gewissheit.
»Also will Leif nur Abstand gewinnen. Der geliebten Frigg sei Dank!« Sie lächelte leise und strich über ihr weißes Taufhemd. »Nein. Dank sei der Heiligen Jungfrau Maria! Auch ich muss mich erst an die Namen gewöhnen.« Selbst das Vorhaben, ein neues Land zu suchen, besorgte sie nur wenig. Ihr geliebter Sohn brach nicht mit der Familie. Nur das war wichtig, ein erster Grund zur Freude in diesen elenden Wochen. »Danke auch dir!« Mit leichtem Schritt eilte sie zurück.
Tyrkir sah ihr nach. Ich darf sie nicht gleich wieder in Unruhe versetzen, dachte er, falls mein Versuch scheitert, bleibt ihr zwar kaum noch Zeit zu überlegen, aber vielleicht unterstützt gerade die Eile … Er schüttelte den Kopf. Hör auf zu zweifeln!
Wenn der allmächtige Gott wirklich seine Hand über Steilhang hielt, musste der neue Plan gelingen.
Wie jeden Tag seit dem Taufgeschehen ritt Erik, gerüstet mit Pfeil und Bogen, Speer und Streitaxt, auch am nächsten Morgen hinauf zu seinem Staudamm.
Tyrkir ließ noch eine Stunde verstreichen, dann folgte er dem Hünen. Bis auf seinen Jagddolch hatte er bewusst auf jede Waffe verzichtet und stattdessen einen Lederschlauch Met in die Satteltasche gesteckt.
Ein durchsichtiger Tag! Er ließ das Pferd traben und sog den kühlen Duft in sich ein. Hoch beladene Heukarren begegneten ihm. Vom Bock aus winkten die Knechte und ließen ihre Peitschen über die Rücken der Zugochsen knallen.
In Gedanken kehrte Tyrkir zurück und sah wieder den ersten ärmlichen Hof auf Spitzklipp. Welch eine Mühe! Das wenige Gras mussten wir in verschlissenem Segeltuch auf den Köpfen zur Scheune schleppen. Und hier? Wie bequem wird die Ernte eingebracht. Wir haben Futter genug fürs Vieh, ganz gleich, wie lange der nächste Winter andauert. »Das Glück ist nicht abwesend«, murmelte er. »Nur wir sind blind geworden.«
Während des Aufritts bewunderte er zum ersten Mal die Staumauer. Tatsächlich, sie hielt dem Druck stand und allein an ihrer linken Seite stürzte ein schmaler Wasserfall herab. Kaum hatte Tyrkir das Hochtal erreicht, stieß er einen Seufzer aus: »Ja, mein alter Wikinger. Ja, ich kann gut nachfühlen, dass du dich hierhin zurückziehst.«
Wie ein tiefblaues Auge lag der See vor ihm, eingebettet ins Grün der Wiesenhänge. Sein Blick schweifte übers Wasser und er entdeckte den Hünen etwas oberhalb des Bachzulaufes. Erik sprang vor und zurück, schwang den Arm, warf sich ins Gras und federte gleich wieder auf. Im ersten Moment fürchtete Tyrkir, der Freund wäre von einem bösen Geist besessen, doch schon auf halbem Weg bemerkte er die Waffen in Eriks Fäusten. »He! Darf ich näher kommen!?«
Nur kurz sah sich der Hüne um und kämpfte weiter. Diese Einladung genügte Tyrkir. In leichtem Tölt trieb er sein Pferd hinüber und ließ es neben Eriks geschecktem Hengst grasen.
Eine Weile sah er schweigend zu. Der Freund hatte den Kurzbogen in der Faust. Den linken Fuß vorgesetzt, ließ er Pfeil um Pfeil von der Sehne schnellen. Als sein Köcher halb geleert war, blühte am Hang gegenüber ein weißgrauer Federstrauß.
Tyrkir klatschte vorsichtig Beifall. »Du hast nichts verlernt.«
»Willst du auch mal?« Schweiß rann Erik von der Stirn, seine Augen glitzerten spöttisch. »Ein wenig Übung könnte dir nicht schaden.«
Tyrkir nahm den Bogen, senkte ihn ins Ziel und nur wenig neben dem Strauß schlug der Pfeil ein.
»Nicht schlecht«, brummte Erik. »Aber für mich langt es
Weitere Kostenlose Bücher