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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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für dich kein Bett mehr im Haus.«
    Jeder feste Vorsatz zerbrach. Im Nu war Leif aufgesprungen, schleuderte Hammer und Zange von sich. »Ich habe auch Stolz wie du! Meine Ehre ist genauso viel wert wie die deine! Ich gehe.« Er stieß den Finger in Richtung des Vaters. »Und solltest du deinen Sohn je wieder benötigen, so musst du ihn darum bitten!« Leif stürzte davon. »Satt hab ich es! So verflucht satt!« Erst auf dem Pfad hinunter zum Hafen flossen ihm Tränen übers Gesicht.
    Der Tauftag verstrich, ohne dass Leif zurückkehrte. Bitteres Schweigen lastete in den folgenden Tagen über dem prächtigen Gut oben auf Steilhang; zwar zwangen Pflichten und Rechte die Familie wieder zu einem höflichen Nebeneinander, mehr aber nicht. Leif lebte an Bord seines Schiffes und die Mutter ließ ihm das Essen insgeheim durch eine Sklavin hinunterbringen.
    »Was hat mein Sohn vor?«, fragte sie die Magd eines Morgens.
    »Ich weiß es nicht genau, Herrin.« Egil, der Sohn des Nachbarn, sei bei ihm. Und jeden Abend kämen auch christliche Bootsknechte dazu. Und die würden an dem Knorr arbeiten. »Es sieht so aus, als wolle der junge Herr auf Fahrt gehen.« Als die Magd das betroffene Gesicht sah, setzte sie schnell hinzu: »Aber genau weiß ich es nicht.«
    Thjodhild nahm ihr Schultertuch. Schon allein den Freund nicht wie erwartet in der Schnitzwerkstatt vorzufinden verstärkte ihre Unruhe, und als sie ihn nahe dem Weinkeller beim Auspressen der Schwarzbeeren antraf, erschreckten sie seine blutroten Hände. Bleib ruhig!, befahl sie ihrem Herzen, sonst ertrinkt auch noch der letzte Rest meines Verstandes. »Der Plan ist gescheitert.« In den Mundwinkeln vertieften sich die Falten. »Ich habe gerade erfahren, dass Leif seine Abreise zum Königshof vorbereitet.«
    Tyrkir trocknete seine Hände, doch die rote Farbe blieb an den Fingern haften. »Nach Norwegen? Jetzt, so spät im August? Dafür gibt es keinen Wind.«
    »Was schert mich der Wind? Ich will nicht, dass er uns verlässt, hörst du!« Flehend trat sie auf den Freund zu. »Und selbst wenn er geht. Nicht im Zorn. Bitte! Sonst kehrt er nie wieder.«
    So nah waren ihre Augen, so ratlos.
    »Ich frage ihn. Jetzt gleich.« Wie gern hätte er ihr mehr versprochen, sei unbesorgt oder vertraue mir, und konnte doch nur sagen: »Vielleicht kann ich ihn umstimmen.«
    Leif sprang von Deck, lief dem Ziehvater entgegen und fasste das Pferd an der Trense. »Steig ab, Onkel!« Kaum war Tyrkir aus dem Sattel, schlug Leif begeistert die Hände zusammen. »Gott sei Dank, ich hatte schon Furcht, du würdest gar nicht herkommen. Aber jetzt kann nichts mehr schief gehen.« Er rannte wieder vor zum Wasser. »He, Egil. Was sagst du nun? Hier bringe ich dir den besten Lotsen auf ganz Grönland.«
    Vor Freude stieß der Erbsohn des Nachbarhofes einen Juchzer aus.
    Tyrkir fasste es nicht. Auf Steilhang erstickte beinah das Leben und diese jungen Kerle hier schäumten fast über. »Wieso Lotse?« Damit zog er Leif beiseite. »Mag sein, dass mir mein Alter einen Streich spielt. Deshalb kläre mich auf, Junge.«
    »Hat sich denn da oben in der dunklen Wohnhöhle die Neuigkeit noch nicht rumgesprochen?« Das Achselzucken des Ziehvaters verunsicherte ihn. »Und ich dachte, du kommst her, um nachzusehen, wie weit wir mit den Vorbereitungen sind?«
    »Wo soll die Fahrt denn hingehen?«
    »Nach Westen!« Je länger Leif von dem unbekannten Land berichtete, umso mehr geriet er wieder in Begeisterung, kauerte sich nieder und furchte im Sand mit einem Kiesel den Verlauf des Eriksfjords bis zum offenen Meer. »Von da aus soll es nur wenige Tage weiter westlich liegen. Und wenn wir die Küste nicht finden, mich schert es nicht. Übermorgen segeln wir ab.« Er federte hoch. »Verstehst du, Onkel. Ich muss raus hier. Frischer Fahrtwind. An Bord herrscht Ordnung, da gibt es feste Regeln für alle. Und vielleicht komme ich so wieder zu klarem Verstand.«
    Tyrkir fuhr mit der Fingerkuppe über die Narbe. »Keine schlechte Idee.«
    »Du bist also dabei? Sag einfach ja!«
    Die Verlockung war zu groß. »Du hast mein Wort.« Kaum gegeben, reute es ihn wieder. Nein, er durfte nicht fliehen und Thjodhild mit den Sorgen im Stich lassen! Es sei denn … Jäh, beinah schmerzhaft drängte sich der Gedanke auf. Wieder nur ein Versuch, der doch zum Scheitern verurteilt war? Nein, dieses Mal konnte er die ersehnte Lösung bringen und Thjodhild fände zur Ruhe, dürfte für einige Zeit freier atmen. »Unter einer

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