Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
ins Haus.« Sie lächelte ihm zu. »Und mit meiner Pflege wirst du gesund, es wäre ja nicht das erste Mal.«
Erik verlangte von Leif und Tyrkir, ihm hochzuhelfen. »Ich will wissen, was noch zu Bruch gegangen ist.« Füße und Beine gehorchten und endlich stand er halb gebückt vor ihnen. »Ein Land habe ich entdeckt, das ist genug für einen Mann. Verschwindet jetzt! Der Wind wartet nicht auf euch.«
Unschlüssig sah Tyrkir zu Thjodhild.
»Geh nur, mein Freund!« Ihre Stimme wurde fester. »Es ist gut so.«
Auf dem Weg zum Schiff blickte er sich immer wieder um, doch sie war mit Erik beschäftigt und winkte nicht.
VINLAND
A n den Ufern blieben die grünen Hügel zurück, von rechts und links rückten Felswände näher; zwei Tage hatte der Gletscherwind den Falken durch den Eriksfjord getrieben, und jetzt ragte vor ihm das düstere Tor zum Meer auf.
Trotz guter Fahrt verlangte Tyrkir, das Segel einzuholen.
Leif gehorchte nur widerwillig und kam mit Egil zum Bugsteven. »Warum, Onkel? Es ist erst Mittag.«
»Wenn wir da draußen sind, kann es zu spät sein.« Streng wies Tyrkir auf seine Skizze, die er in ein Brett geritzt hatte. »Also, von vorn: Welche Route hat der Sohn des alten Herjulf damals genommen? Zeigt sie mir!«
Die jungen Männer tauschten verstohlene Blicke aus. Zum fünften Male befragte sie nun schon der Lotse, und beinahe nachsichtig gab ihm Leif wieder Auskunft. Er fuhr mit dem Finger vom Südkap Grönlands südwestlich über das Meer bis zum untersten der drei eingezeichneten Kreise.
»Nach seiner Irrfahrt im Nebel hat Bjarne ungefähr hier die flache Küste mit den Hügeln und Wäldern gesichtet. Dann segelt er bei klarem Wetter nordwärts. Zwei Tage. Und hier sieht er abermals Land, auch das war flach und es gab viel Wald. Vor gutem Südwest fährt er gleich weiter.« Leif tippte auf den obersten Kreis. »Nach drei Tagen nähert er sich dieser Insel. Da soll es Gebirge und Gletscher geben, mehr nicht. Bjarne dreht ab und schafft es von da oben in vier Tagen quer rüber bis hinunter zur Südspitze Grönlands und er erreicht die Handelsniederlassung.« Ein jungenhaftes Lächeln für den Onkel. »Wir nehmen dieselbe Route. Zufrieden?«
»Nein. Bjarne ist nie an Land gegangen. Richtig?«
»Weil er noch vor dem Winter zu seinem Vater wollte.«
Tyrkir starrte unverwandt auf das Brett. Seit sie Steilhang verlassen hatten und er sich ernsthaft mit dem gewagten Vorhaben beschäftigte, quälte ihn Unruhe. »Vielleicht waren diese Küsten nur Trugbilder?«
»Ach, Onkel.«
Dieses Mal bemerkte Tyrkir den Blick zwischen Schiffsführer und erstem Bootsmann. »Mir gleich, was ihr denkt«, fauchte er. »Auf dem Meer gibt es keine Spazierfahrt. Niemals. Ich bin der Lotse und trage für den Kurs die Verantwortung. Wenn euch das nicht passt, dann bringt mich mit dem Beiboot an Land und fahrt allein weiter.«
Egil wurde blass. »Bitte nicht, Herr!« Auch Leif lenkte sofort ein. »Verzeih, Onkel. Keiner von uns will dir hineinreden.«
Befriedigt nickte Tyrkir. Sein scharfer Ton hatte den Zweck erfüllt. Jeder Leichtsinn musste diesen jungen Burschen von vornherein ausgetrieben werden.
»Also hört genau zu!« Da Bjarne nur durch Zufall den untersten Kreis erreicht hatte, aber von der dritten Küste hoch im Norden durch eigene Berechnung nach Grönland segelte, bot sich nur eine Möglichkeit. »Wir folgen seiner Route, jedoch auf umgekehrtem Weg. Wir segeln zuerst zu dem Land, das er zuletzt gesehen hat.«
Ohne Zögern war Leif einverstanden und gab Egil den Befehl, das Segel wieder aufzuziehen. Als sich der Wind ins rot-gelb gestreifte Tuch drückte, rief er vom Steuerdeck der Mannschaft zu: »Das neue Land wartet! Ran, du Grausame, verschone uns!« Schnell verbesserte er: »Gott der Allmächtige, möge uns beschützen!«
Nicht wie erwartet hatte der Lotse direkten Kurs nach Nordwesten eingeschlagen, sondern das Schiff vorbei an den Fjorden der Westsiedlung weiter hinauf entlang der grönländischen Küste geführt.
Am Abend des zweiten Tages ankerte der Falke in einer Bucht. Bald flackerte auf dem Strand ein Feuer und lustlos kauten die Knechte ihr Dörrfleisch. Niemand sprach den Vorwurf aus, doch die Mienen zeigten deutlich, was jeder dachte: Dies also sollte die Fahrt zu neuen Ufern sein?
Etwas abseits des Lagers stand Tyrkir auf einem Felsen, sein Blick war starr übers Wasser gerichtet. Schließlich hielt es Leif nicht länger aus, er stapfte hinüber und fragte von unten: »Warum
Weitere Kostenlose Bücher