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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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beieinander.«
    Erik schirmte die Augen gegen das Sonnenlicht. Wiesenhänge stiegen im Norden und Osten zu den Bergen hinauf, ein Bach schlängelte sich durch die Hochebene und im Nordwesten endete der Blick an einer bewaldeten Anhöhe, überragt von einer kahlen Felsspitze, dem Wasserhorn. »Du bist gut zu mir.«
    »Ich habe nichts zu verschenken.« Der drohende Unterton war nicht zu überhören. »Unser neuer Vertrag schließt nun auch dein Reittier des Meeres mit ein, vergiss das nicht!« Bei einer Trennung oder Scheidung hätte Erik den halben Wert des Schiffes seiner Frau in Hacksilber auszubezahlen, das war gestern vor Zeugen festgelegt worden.
    »Ist schon in Ordnung«, brummte der Rote.
    Steif richtete sich Thorbjörn auf, unvermittelt verhärtete sich sein Gesicht.
    Tyrkir beobachtete ihn angespannt. Was folgte jetzt? Mit einem fruchtbaren Ackerstück und einigen Wiesen hatten die Freunde gerechnet, niemals hingegen hätten sie es sich träumen lassen, dass der Gutsherr die Hälfte seines Bodens hergeben würde. Warum aber mit einem Mal dies lange Schweigen? Der Alte war klug, und ganz gewiss hatte er inzwischen die Lügen Eriks beim Heiratsabkommen durchschaut. Wollte er Sühne? In Wahrheit nicht helfen, sondern eine Lehre erteilen? Solange sein Wort nicht mit dem Schwur besiegelt war, konnte er von dem neuen Vertrag noch Abstand nehmen. Großer Tyr, bat der Deutsche stumm, achte auf das Glück meines Herrn, es darf keine bittere Enttäuschung geben, jetzt nicht mehr!
    Als wäre das Flehen ohne Hindernis hinauf nach Walhall gedrungen und erhört worden, breitete der Graubärtige beide Arme aus: »Erik, den man den Roten nennt, der meine Tochter zum Weib hat und der Vater ihres Kindes ist, so empfange mein Land, heilige es als das deine und nimm es in Besitz!«
    Noch ehe sich Erik bewegte, sprang Tyrkir mit einem Aufseufzen vom Pferd. Schon hatte er ein Bund Reisig im Arm und schichtete den Stoß. Jetzt war auch Erik neben ihm, stieß einen Span in die Glut und entfachte das Feuer. Über den hoch züngelnden Flammen streckte er die geballte Faust zum Himmel. »Höre mich, Thor! Dir weihe ich mein Land.«
    Und die Männer saßen wieder auf. Sie ritten lange bis zum nächsten Hügel, hinter sich erkannten sie gerade noch das erste Feuer und entfachten das zweite. So ging es weiter, genau achteten sie auf die Abstände, bei jedem neuen Brand war stets die letzte Rauchwolke in ihrem Blickfeld, und gegen Abend hatten sie das Hochtal umrundet und waren auf der mit Birken und Eschen bewachsenen Anhöhe unterhalb des Wasserhorns angelangt.
    Vor dem dichten Wald stieß Erik noch einmal das Feuer in den geschichteten Holzstoß. »Thor, mein göttlicher Beschützer. Sieh her! Dies ist nun unser Land. Wohne hier mit meiner Sippe und mir!«
    Thorbjörn saß ab, fest legte er dem Schwiegersohn die Hand auf die Schulter. »Lass uns Nachbarn und Freunde sein! Mehr noch, wir sind eine einzige Familie. Jedes Leid werden wir gemeinsam erdulden. Du aber bist es, der die Pflicht hat, unser Geschlecht zu erhalten.«
    Offen sah Erik ihn an. »Du kannst mir vertrauen.«
    Der Alte nickte befriedigt. Mit einem Wink befahl er dem Hünen und Tyrkir zu folgen. Kaum hatten sie den Wald betreten, als sich ein schwarzes, flügelschlagendes Heer aus den Birkenkronen erhob, Raben krächzten und schrien über ihnen. »Sie sind die Wächter unserer Grenze«, bemerkte Thorbjörn leise. »Vor langer Zeit hat hier der Berg gebebt. Deshalb verfluchen die Raben jeden Eindringling, als fürchteten sie, dass schon zu festes Auftreten den Fels wieder erschüttert.«
    Tyrkir sah den riesigen Vögeln zu, noch eine Weile kreisten sie um das schroffe Wasserhorn, ehe sie sich wieder im Geäst niederließen. Nicht nur Wächter, dachte er ehrfürchtig, mehr noch, es sind Brüder von Hugin und Munin. Gewiss haben sie soeben den beiden Urraben, den allgegenwärtigen Kundschaftern, von uns berichtet. Und die fliegen hinauf zum goldenen Hochsitz in Walhall, lassen sich auf der Schulter Odins nieder und flüstern dem Gott aller Himmel ins Ohr, wer ab heute der junge Großbauer im Habichtstal ist.
    Ein Rauschen riss ihn aus den Gedanken. Vor ihm verlangsamten Thorbjörn und Erik den Schritt. Kurz darauf erreichten sie das Ufer eines tiefblauen, stillen Quellsees. Obwohl das Bild sich so friedvoll darbot, war dennoch Tosen und Gurgeln in der Luft. Beklommen blickten die Freunde sich an.
    »Kommt weiter!«, forderte Thorbjörn. »Ich zeige euch jetzt, wie dicht

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