Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
schreckte ihn die Wirklichkeit aus den Gedanken. Nicht nur diese feigen Morde, mehr war geschehen, viel mehr. Auch Valtjof, der Nachbar und Freund, war tot!
Tyrkir raffte sich auf und ging zur Abbruchstelle. Rechts von ihm, weit entfernt, blinkte der Spiegel des großen Sees, ein friedvolles Bild, umarmt von der Sonne, doch gleich hier, tief unter ihm lag das schlammige Geröllgrab. Tyrkir fühlte Kälte aufsteigen. »Auch unser Glück liegt dort zermalmt«, murmelte er. Das Rad war in Gang gesetzt und niemand wusste, wen es überrollte, wann es zum Stillstand kommen würde. Der Berg hatte den Großbauern und dessen Hof verschüttet. Sein Bruder gab Erik die Schuld an diesem Unglück. Aus Vergeltung hatte er mit dem Holmgänger die Knechte getötet.
Nur deshalb? Tyrkir hob einen Birkenast auf. Nach und nach riss er die Zweige vom Stamm. Eifersucht ist eine Wunde, die nie heilt. »Dieser heimtückische Ejolf!« Mit Absicht hatte er nicht gewartet und jede Möglichkeit einer friedvollen Klärung vereitelt. »Kampf und Blut, das will er, nichts sonst.« Und Erik musste handeln, wenn er sein Ansehen nicht verlieren wollte. Tyrkir häufelte die abgepflückten grünen Zweige mit dem Fuß zusammen. Wie schnell werden die Blätter welken, dachte er und ging an den Leichen vorbei, später wollte er sie bergen und begraben lassen.
Die beiden Pferde grasten nahe dem Holzplatz, ein Pfiff und sie folgten ihm hinunter zum Fuhrwerk. Tyrkir stieg nicht auf die Kutschbank. Zeit, eine kleine Weile noch sollte der Frieden dauern, deshalb führte er Karren und Tiere zu Fuß ins Tal.
»Verdammt, wo bleibt das Holz?« Nur flüchtig hatte Erik den Freund angesehen, mehr beschäftigte ihn die leere Ladefläche. »Was soll das, Schlaukopf?«
Als Tyrkir keine Antwort gab, kam er wütend näher: »Beim Thor, ich sollte dir …« Er stockte und verengte die Lider. »He, was ist los?«
»Ich bin allein.« Bis auf die Sommersprossen war jede Farbe aus dem Gesicht des Verwalters gewichen. »Ohne unsere Knechte bin ich zurückgekommen.«
»Und wann …?« Verunsichert unterbrach sich Erik. »Ach so, du meinst, die anderen sind noch oben am Wasserhorn und warten auf Verstärkung, weil sie allein die Stämme nicht verladen können. Warum sagst du das nicht gleich. Na los, ich fahr selbst mit. Wie viele Männer brauchst du noch?«
Tyrkir schüttelte den Kopf. »Heute keinen mehr.« So schwer war ihm das Herz, wie gerne hätte er nach einem Ausweg gesucht, um das gerade erwachte Glück zu bewahren, doch dies stand nicht mehr in seiner Macht. Jetzt musste er Bote sein, und sobald er gesprochen hätte, würde er ohne Zögern an Eriks Seite den vom Schicksal bestimmten Weg gehen. »Unsere Knechte sind tot.«
Der Rote strich seinen Bart, fuhr sich durch die zottige Mähne, schließlich murmelte er: »Und das Holz hätten wir so dringend gebraucht. Für Schlafbänke und Regale.«
»Erik! Hörst du nicht?« Tyrkir trat dicht zu ihm. »Sie liegen da oben in ihrem Blut. Ermordet.«
»Sag das nicht!« Die breiten Schultern hoben sich. »Wer sollte unsere Männer erschlagen?«
»Nicht hier.« Tyrkir schritt schon voraus. Langsam folgte ihm der Freund zum sprudelnden Wiesenbach hinüber. Nahe am Ufer standen sie beieinander. Während der Deutsche berichtete, veränderte sich die Miene Eriks, als er geendet hatte, war sie zu einer Maske erstarrt. »Also Ejolf und Hravn Holmgang.« Kaum bewegte der Rote die Lippen. »Hatten sie ein Recht dazu? Sag es mir!«
»Nein.«
»Soll ich in zwei Wochen auf dem Thing gegen die Mörder klagen?«
Es war nur eine Frage. Der Freund hatte sich schon entschieden, das spürte Tyrkir und bestätigte ihm leise, was beide wussten: Noch galt Erik als ein Fremder im Habichtstal und deshalb bestand kaum Aussicht für ihn, bei der Gerichtsversammlung zu gewinnen. »Sicher reitet Ejolf jetzt schon von Hof zu Hof und wird nichts unversucht lassen, dir den Erdrutsch anzulasten. Bis zum Thing hat er die Nachbarn gegen dich aufgewiegelt. Und du weißt, je mehr Fürsprecher er gewinnen kann, umso einfacher gelingt es ihm, auch den Richter auf seine Seite zu ziehen.«
Unvermittelt ging Erik zum Bach, fiel nieder und schlug sich immer wieder das kalte Wasser ins Gesicht, dann tauchte er den Kopf ein und warf die nasse Mähne zurück. Die Abkühlung half ihm nicht. »Verflucht. Ejolf sei verflucht!« Ein Schrei brach aus seiner Brust, verwundet, wild, mit den Fäusten stieß er gegen den Himmel und brüllte. Erst nach tiefem Atmen
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