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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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rückte sich den Knauf des Schwertes im Gürtel griffbereit und steckte zwei Dolche daneben. »Nur noch den Umhang, das genügt fürs Erste«, sagte Erik, während er den Riemen des Jagdhorns über den Kopf streifte. »Sonst glaubt Thorbjörn womöglich, wir wollten den Habichtshof angreifen.«
    Streitäxte und Speere, Schilde, auch Bogen, Pfeile und Köcher wurden von Knechten mit den Reisebündeln auf die Ersatzpferde gebunden. Ehe Tyrkir die gewienerten Helme am Sattelknauf befestigte, zeigte er dem Freund stumm die Schlagscharten aus früheren Kämpfen.
    »Na und? Daran siehst du, was sie aushalten. Selbst dein Schlaukopf ist da drunter ganz geblieben. Was willst du mehr?«
    Sie verließen den neuen Hof am Hang, die Segensbitten um Erfolg und glückliche Rückkehr begleiteten sie und verhallten schließlich.
    Schweigend ritten sie Seite an Seite. Nebel häuptete die schneebedeckten Bergriesen in der Ferne, auf den nahen Hügeln zogen graue Dunstschleier mit ihnen. Keine Nacht und doch kein Tag. Jäh fühlten sich Singschwäne von den Reitern im Schlaf gestört, mit schrillem Gekeif stiegen sie aus der Wiese und flatterten zur Seite.
    Bald waren die Hausweiden des Habichtshofes erreicht. Wie stets schlugen erst die Hunde an, doch diesmal lauter, zorniger und schneller kamen Knechte aus dem Hauptgebäude, erst beim näheren Hinschauen erkannten sie in den Bewaffneten Erik und seinen Verwalter, liefen zurück und weckten die Herrschaft.
    Barfuß, im grob gewebten Nachthemd trat Thorbjörn vor die Tür. Mit einem Blick erfasste er Rüstung und Waffen. Die entschlossenen Gesichter seiner späten Gäste erübrigten jede Frage. »Kommt in die Halle!«
    Nachdem auch Frau Schiffsbrust und Thjodhild, in Umhänge gehüllt, aus den Schlafstuben gekommen waren und verschlafen und verwirrt die jungen Männer begrüßt hatten, nahm der Großbauer auf dem Hochsitz Platz. »Ich höre.«
    Erik hob und senkte die Brust. Zweimal setzte er an, doch ihm fehlte die Ruhe, den Sachverhalt nüchtern darzulegen. »Red du!«, forderte er Tyrkir auf. »Du weißt besser, wie’s gekommen ist.«
    Nur an einer Stelle unterbrach Thorbjörn den Bericht des Deutschen: »Die Raben. Was taten sie? Schwiegen sie, als Ketil starb?«
    Tyrkir versuchte sich zu erinnern, rief die Bilder einzeln zurück: Er ging wieder von einem Leichnam zum nächsten, vernahm noch das Kreischen, während er dem körperlosen Kopf die Lider schloss, dann kniete er neben dem alten Knecht. »Stille. Ja, du hast Recht, als Ketil mich nach Gott Tyr fragte und ich ihm von der Hand erzählte, da war kein Laut mehr aus den Bäumen zu hören.«
    »Gut so.« Der Großbauer drehte einen Finger in seinen Bart. »Weiter, was geschah, nachdem er tot war?«
    »Nichts Wichtiges.«
    »Die Entscheidung überlasse mir, Junge!«
    Erst Trauer, hiernach Angst, die Tyrkir aufstehen ließ. Der Blick hinunter ins Tal auf die Geröllmassen. »Ich habe grüne Zweige vom Ast gerissen und gedacht, wie schnell sie welken werden.« Auch die beiden ruhig grasenden Gäule erwähnte er und schloss damit, wie er das Fuhrwerk zu Fuß ins Tal geführt hatte. »Ich sagte ja, nichts Wichtiges ist nachher geschehen.«
    Der Satz verklang in der Halle, eine Weile war allein das Knistern der schwelenden Glut zu vernehmen.
    Frau Thorbjörg löste sich von Thjodhild. Das Bein behinderte ihren Gang bis zum Hochsitz. Dort aber richtete sie sich mit einem Blick auf, der keine Krankheit kannte, und nach einem unmerklichen Nicken ihres Mannes legte sie beide Hände wie einen Schutzschild über ihr Herz. »Die Birkenblätter dürfen nicht welken, ehe die Morde gerächt sind. Hörst du, Schwiegersohn! Auch die Toten dürfen so lange nicht angerührt werden, bis du unsere Familienehre gereinigt hast.«
    »Was? Aber ich habe meinen Leuten schon befohlen, sie runter zum Hof zu schaffen.«
    »Wehe dir!« Nie zuvor hatte die alte Bäuerin ihn so scharf angefahren. »Willst du den Bann brechen, der deine gerechte Sache unterstützt? Wie können die Götter dir beistehen, wenn sie den Grund deiner Rache nicht mehr sehen?«
    »Wusst ich ja nicht«, brummte Erik und stieß dem Freund in die Seite. »Hättest mich warnen sollen.«
    Weil sich Tyrkir mitschuldig fühlte, trat er ohne Zögern für ihn ein. »Beruhige dich, Herrin. Unser Fehler lässt sich beheben.« Er schlug vor, gleich jetzt einen Boten auf den Weg zu schicken. So bliebe Zeit, den Befehl zu ändern und nichts würde am Schauplatz des Mordes angetastet. Leise setzte

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