Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
urgewaltigem Krachen zu Tal. Wie von einer Riesenfaust wurde Valtjofs Hof zermalmt.
Stille trat ein, auch der Regen hörte auf. Bald zeigten sich erste blaue Flecken am Himmel.
Ejolf Dreck hatte auf einem Nachbargut zusammen mit den Kumpanen beim Würfelspiel lange gezecht und dort genächtigt. Vom fernen Donnern war er aus dem Schlaf gerissen worden. Mit schwerem Kopf taumelte er nach draußen. »Was ist?«
Stumm zeigte ein Knecht hinauf zum Wasserhorn und fuhr mit dem Finger die Bahn des Erdrutsches nach, schließlich hielt er bei dem riesigen Berg aus Schlamm und Geröll weit hinten im Tal an. »Ein Unglück, Herr.«
»Mein Bruder!«, schrie Ejolf und stürzte zurück ins Haus. Gleich darauf kehrte er mit Hravn Holmgang, einem seiner engsten Freunde, zurück. Auf dem Weg zum Stall schnallten sie ihre Schwerter um, sie zogen die Pferde heraus und sprangen in den Sattel.
Nichts fand Ejolf mehr am Ende des Tales, der Bruder mit seiner Familie, aller Reichtum lag unter der Lawine begraben. Was ihm blieb, waren die Schafherde und das Jungvieh auf den Sommerweiden, ansonsten nur die Gnade der Verwandtschaft. Nichts mehr! Wie ein Schlag traf ihn die Erkenntnis: Sein sorgloses Leben hatte ein Ende gefunden. »Wer hat das getan?«, stammelte er.
Der Freund legte ihm den Arm um die Schulter. »Die Götter haben es so bestimmt.«
»Niemals! Warum sollten die Götter mich bestrafen?« Wild befreite sich Ejolf. »Für welche Schuld? Sag es mir!«
Hravn nahm einen Felsbrocken auf, den ein anderer Mann nur mit Mühe hätte heben können, er aber besaß die Kraft und Schnelligkeit von zwei Männern und war ein gefürchteter Kämpfer. Seinen Ruhm hatte er sich vor allem beim Holmgang erworben. In diesem nach vorgeschriebenen Regeln ausgefochtenen Zweikampf war bisher jeder Gegner von ihm getötet worden. »Siehst du diesen Stein? Davon sind tausend-, ach was abertausendmal schwerere herabgestürzt. Solch eine Macht besitzt kein Mensch. Es war Schicksal, glaub es mir!«
Ohne Antwort stieg Ejolf ein Stück den Geröllberg hinauf. Lange starrte er nach oben. Der Wasserfall war breiter geworden und die Abbruchstelle sah aus, als wäre Utgard-Loki, der Herr über das Reich der Riesen, selbst gekommen und hätte mit einem großen Hieb den Felsvorsprung herabgeschlagen.
»Da oben verläuft die Grenze. Das Gebiet gehört zum Habichtshof. Also hat Land vom Habichtshof meinen Bruder getötet.« Ejolf stemmte die Fäuste in seine Seiten. »Und wer siedelt auf dem Hang zur Hochebene?« Mit einem Satz war er wieder bei Hravn Holmgang. »Dieser rote Bastard!« In seinen Augen glühte Hass. »Wer weiß, mein Freund, ob er nicht durch einen Zauber das Unglück herbeigerufen hat.«
Jede Beschwichtigung verwarf er. »Es war Absicht, ich fühle es. Komm mit, wenn du kein Feigling sein willst! Wir reiten hinauf und überzeugen uns selbst.«
Tyrkir hatte die fünf Knechte vorausgeschickt. Er selbst wollte mit Pferd und Karren nachkommen und das Fuhrwerk so nah wie möglich an den Wiesenhang unterhalb des Waldrandes bringen, um die Strecke für das Hinunterschaffen der Stämme abzukürzen. »Wartet nicht!«, hatte er angeordnet. »In der Rodung liegt noch genügend Holz. Bis ich bei euch bin, schafft, so viel ihr könnt, hinaus!«
Die Sklaven erreichten in der kühlen, rein gewaschenen Morgenluft schnell den Wald. Kaum aber betraten sie die Schneise, schnaubten und scheuten ihre beiden Zugpferde. Weder Zuruf noch Schläge nutzten etwas, die kräftigen Tiere verweigerten sich jedem Befehl und blieben stehen.
»Ein Troll?«, vermutete Ketil, der erfahrenste und älteste Knecht. »Oder ein Untoter? Vielleicht hat er hier irgendwo Schutz vor dem Unwetter gesucht.«
Angst befiel die Männer. Wenn wirklich ein ewig verdammter Geist in der Nähe war, mussten sie ihn vertreiben, eher konnten sie nicht mit der Arbeit beginnen. Zu groß war die Gefahr, von ihm gebannt zu werden.
Sie nahmen die Äxte von den Schultern, verteilten sich und brüllten, schlugen rechts und links der Rodung gegen Baumstämme, raschelten in den Büschen und lärmten, so laut sie es vermochten. Schritt für Schritt arbeiteten sie sich weiter vor, ihre Aufmerksamkeit galt den Bodenmulden und kräftigen Astgabeln am Rand der Schneise, nach vorn sahen sie nicht.
Unvermittelt erreichte der Trupp den gähnenden Abgrund. Das Rufen erstarb ihnen auf den Lippen. Sie starrten in die Tiefe, folgten der Spur der Verwüstung und sahen im Tal den Berg aus Schlamm und Geröll. »Da
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