Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
nach hinten. Jedoch für den geübten Kämpfer waren sie zu langsam. Mit einem Rundschlag trennte er dem einen den Kopf vom Rumpf, wich dem Axthieb des letzten der vier Knechte aus und trieb ihm die Klinge in den Bauch.
Endlich war Tyrkir zufrieden. Der Karren stand auf einer ebenen Fläche, die Räder hatte er mit Steinen gesichert und den Maulriemen des Pferdes um einen Felsbrocken geschlungen. Näher hatte er das Fuhrwerk nicht an den letzten Wiesenhang unterhalb des Holzplatzes führen können. Gegen Abend haben wir mühelos das erste Fuder zum Hof geschafft, dachte er. Erik kann ruhig sein, unserer Thjodhild und dem Sohn wird es beim Einzug an nichts fehlen.
Harter Hufschlag ließ ihn aufblicken. Über die Mähnen gebeugt verließen die beiden Reiter wieder den Waldrand und hetzten entlang des Höhenrückens davon.
»Auf meinen Ketil ist Verlass.« Anerkennend pfiff Tyrkir zwischen den Zähnen. »So alt er auch ist, an Mut hat er nichts verloren. Das Land verteidigt er noch, als wäre es seines. Zum Dank werde ich mit ihm heute Abend einen gut gefüllten Krug leeren«, beschloss Tyrkir, während er den Hang hinaufstieg.
Still war es am Eingang der Rodung, zu still. Unbeweglich standen die schweren Zugpferde gleich vorn in der Schneise und nirgendwo sah er seine Männer bei der Arbeit. Durch den Trichter der Hände rief er nach ihnen. Keine Antwort kam. Erneut rief er, diesmal lauter, fordernder.
Jäh verdunkelte sich der Himmel! Die Gäule wieherten und flohen in Richtung Holzplatz zurück. Wie aus dem Nichts waren die Raben da. Im wirren Taumel flatterte das schwarze Heer über seinem Kopf auf und ab. Krallen zerrten ihn am Kragen, an den Mantelärmeln, Schnäbel schnappten nach den Ohren. Für einen Augenblick war nur wildes Gekreisch und Flügelschlag um ihn, dann stoben die Wächter davon und ließen sich weiter vorn in die Baumwipfel rechts und links der Schneise fallen. Das Krächzen verstummte nicht.
Von düsterer Ahnung getrieben rannte Tyrkir los und fand die Erschlagenen. Nur einen Moment stockte das Herz. Vielleicht, dieses Wort übertönte das Grauen in ihm. Vielleicht lebte noch einer? Vielleicht konnte er helfen, retten? Doch seine Hoffnung erlosch beim Anblick des abgeschlagenen Kopfes, der blutenden Wunden und der Gesichter, in denen Schmerz und Todesangst erstarrt waren.
Er ging von einem zum nächsten und drückte ihnen die Augen zu. Ein letzter Dienst, nichts anderes blieb ihm. Etwas abseits der Blutstätte entdeckte er den alten Knecht. Sein gekrümmter Körper bebte, mit den Beinen versuchte er sich weiterzuschieben.
»Ketil.« Sofort fiel Tyrkir auf die Knie und drehte ihn behutsam auf den Rücken. »Freund, guter Freund.«
Beim Klang der Stimme öffnete er die Lider. »Wo. Wo bist du?«
Dicht beugte sich Tyrkir über das gequälte Gesicht. »Hier, Freund. Sei ruhig, alles wird gut, ich bringe dich ins Tal.«
»Nein, lass!« Stoßweise kamen die Worte. »Ich, ich gehe gleich von hier fort. Bleib solange!« Der Atem ging schwer, erst nach einer Weile gelang es ihm wieder zu sprechen: »Es war Ejolf … auch Hravn. Rache … weil der Berg abgebrochen ist.«
Tyrkir verstand den Sinn nicht und glaubte, dass die Umklammerung des Todes den Geist des Alten schon verwirrt hatte. »Hab keine Angst! Es waren also Ejolf und der Holmgänger? Bist du sicher?«
»Erdrutsch.« Ketil hob schwach den Armstumpf. »Da vorn … Der Berg hat den Valtjofshof verschüttet. Alle sind tot.«
Erschreckt blickte Tyrkir über die Schulter, so auf den Knien vermochte er nichts auszumachen. »Ich bin gleich wieder da.«
»Nein, bitte bleib!« Voller Unruhe rollten die Augäpfel. »Ich habe es vergessen.«
»Was, mein Freund?«
Mit großer Anstrengung schob Ketil den blutigen Stumpf auf seine Brust. »Welcher Gott …? Wer hat auch die Hand verloren?«
»Es war Tyr.« Tränen stiegen dem Deutschen in die Augen. »Der große, mutige Tyr.«
»Ja, erzähl mir!« Flehend sah Ketil zu ihm auf. »Was … was hat er getan?«
Und Tyrkir berichtete leise vom vergeblichen Kampf der Götter gegen den Fenrisswolf. Tyr allein war es gelungen, das Ungeheuer anzuketten, weil er ihm seine Rechte tief in den Rachen gestoßen hatte. »Er hat seine Hand geopfert und damit auf ewig die bösen Mächte gebannt.«
»Danke.« Schwach nickte Ketil. »Jetzt weiß ich es wieder.« Er schloss die Augen und seufzte aus. Der Knecht war tot.
Lange kauerte Tyrkir neben ihm, nur erfüllt von Trauer und Verlust; mit einem Mal aber
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