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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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er hinzu: »Danke, dass du uns ermahnt hast.«
    Das Eingeständnis hellte die Züge der alten Frau auf. Ein Kampf war Männersache. Wäre Thorbjörg Schiffsbrust begabt mit Zauberkräften, und dieses Unvermögen beklagte sie oft, so hätte sie die beiden jungen Männer sicherlich nicht ohne Kräutertrank und Beschwörungsformel ziehen lassen.
    Umso ernster aber erfüllte sie nicht nur die Pflicht einer Hausfrau, den Mann stets an die Rache zu gemahnen, sondern trug auch Sorge, dass er jeden göttlichen Beistand und Zuspruch der Familie für den schweren Gang erhielt. Sie wandte sich nach ihrer Tochter um. »Warum schweigst du?«
    Thjodhild nestelte am Saum des Umhangs. »Gleich, Mutter. Alles ist so neu …« Flehend flüsterte sie: »Lass mir noch Zeit!«
    Thorbjörn sah ihre Not, betont laut rief er nach einem Knecht, gab ihm genaue Anweisungen und schickte ihn zum Hof am Hang. An Erik gerichtet sagte er: »Was auch geschehen mag, du sollst wissen, dass ich mit all meinem Vermögen und meiner Treue dir beistehen werde. Doch ehe du aufbrichst, wollen wir Gott Thor durch eine Gabe erfreuen.«
    Gemeinsam gingen sie nach draußen und betraten den abgezäunten Opfergarten. Erik nahm das Huhn aus der Hand des Großbauern, öffnete dem Tier mit einem Schnitt die Brust und band es mit den Krallen zuoberst an den Pfahl. Während Blut auf seinen silbernen Thorshammer tropfte, blickte er zum Himmel. »Halte mich nicht für unbescheiden, großer Freund. Aber leih mir etwas von deiner Kraft! Nur so viel, dass ich unser Glück zurückgewinnen kann.« Bedächtig steckte er das Amulett zurück in den Münzbeutel an seinem Gürtel.
    Thjodhild spürte die fordernden Blicke der alten Frau. Ja, sei beruhigt, Mutter, ich werde meine Pflicht erfüllen. Sie begleitete die beiden zu ihren Pferden. Mein Herz muss schweigen, dachte sie, nichts darf ich von der Angst um den Vater meines Sohnes sagen, auch nichts von der Sorge um Tyrkir, weil er mehr Mut als Kraft besitzt. Ja, ich bin die Frau eines Wikingers. Sie reichte Erik beide Hände. »Blut für Blut. Sühne den Frevel, der uns angetan wurde.« Vergeblich kämpfte sie gegen die Tränen. »Und … und kehre zurück!«
    Im ersten Moment wollte der Rote sie an sich ziehen, doch unter den Augen der Schwiegereltern bezwang er seine Regung. »Schon gut. Du musst nicht lange auf mich warten.«
    Thjodhild ging zu dem Deutschen. Nur mit dem Blick berührte sie ihn. »Gib Acht, damit Leif seinen guten Lehrer nicht verliert. Er und auch ich, wir brauchen dich.«
    Ehe Tyrkir antworten konnte, wandte sie sich ab und kehrte ins Haus zurück.

 

    DER HOLMGANG
    A ls die Sonne wieder höher stieg, rasteten die Freunde in einer windgeschützten Mulde. Schwert und Schild in Reichweite neben sich streckten sie die müden Glieder. Erik kaute an einem Grashalm und sah den ziehenden Wolken zu. Tyrkir hatte seinen Mantel zusammengerollt und unter den Nacken geschoben. Ein Morgen, so still und friedvoll, dachte er. Wie lange noch?
    Vor ihnen öffnete sich das niedere Habichtstal; wie ein Silberband gleißte der Flusslauf im Licht, wurde breiter und im großen See in der Ferne zu einem Spiegeloval. Dort am unteren Ufer, noch hinter dem Wald, befand sich der Spielhof. Dort lebten Hravn Holmgang und seine Sippe. »Reiten wir direkt zum See? Oder wo beginnen wir mit der Suche?«
    Erik spuckte den Halm aus. »Von Haus zu Haus. Weil ich den Rücken frei haben will.« Er wies auf die kleineren und größeren Ansiedlungen. »Überall fragen wir nach den Mördern. Jeder soll wissen, dass wir sie jagen, auch warum wir hinter ihnen her sind.«
    »Aber so verlieren wir Zeit. Irgendeiner wird sie warnen.«
    »Das will ich ja, Schlaukopf.« Erik setzte sich auf. »Niemand darf nachher sagen, dass ich die beiden aus dem Hinterhalt getötet habe.«
    O großer Tyr, gib ihm Verstand, flehte Tyrkir. Er fordert Männer heraus, die Tag für Tag sich im Umgang mit Waffen üben und nun will er nicht einmal eine kleine List anwenden. Nein, dieser stolze Narr verzichtet sogar auf den Vorteil eines Überraschungsangriffs.
    »Wie lange ist es her?«, begann der Deutsche vorsichtig. »Ich meine, wann hast du zum letzten Mal gekämpft? Eine Axt geschwungen oder einen Speer geschleudert?«
    »Was fragst du, wenn du’s weißt?«
    »Drei Jahre sind eine lange Zeit.«
    »Ich hab’s nicht verlernt«, flüsterte Erik und fuhr sich durch die rote Mähne. »Dafür hat der Vater schon gesorgt.«
    Woche für Woche hatte Thorvald seinen Sohn im

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