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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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des Feindes.
    Unter dem Helmrand steckte die Waffe wie eine aufgepfropfte, langrückige zweite Nase dort, wo das rechte Auge gewesen war. Erstarrt saß Ejolf Dreck im Sattel. Ein Aufschrei gellte von seinen Leuten herüber. Das Werk war noch nicht vollendet. Mit aller Kraft stieß Erik den Speer in die Brust des Toten, der kippte nach hinten und schlug rücklings auf den Rasen.
    Kein Laut mehr, atemlose Stille lag über der Kampfstätte. Gelassen nahm der Sieger seine Waffen wieder an sich, pfiff dem Schecken und schritt aufrecht neben ihm her zum Wiesenrand.
    »Mein Schild taugte nichts«, knurrte er.
    Tyrkir sah in das verschwitzte Gesicht. »Wir haben noch vier.«
    »Du blutest ja, Schlaukopf.«
    »Hör auf, ich ertrage jetzt keinen Scherz!«
    »Nein, wirklich. Was ist mit deiner Lippe?«
    Der Schmächtige betastete den Mund und sah auf seine blutbeschmierten Fingerkuppen. »Angst.« Mit einem Mal zitterten ihm die Knie. »Ich hatte Angst um dich.«
    »Begreif ich nicht. Warum?«
    »Weil du …« Tyrkir brach ab, der aufsteigende Zorn half ihm über die Schwäche. »Verdammt, du prahlst wie dieser Angeber. Wenn Thor dir nicht beigestanden hätte, dann wärst du … Ach, egal. Du hast gesiegt, begreifst du das?«
    »Hattest du was anderes …«
    Lautes Rufen unterbrach sie. Bei dem Toten knieten die Kumpane. Hravn Holmgang stand breitbeinig neben ihnen und schrie nach Erik. »Dieser Kampf war nicht gerecht!«
    »Was?«, fuhr der Rote auf. Er packte den Freund an der Schulter und schob ihn vor sich her. »Du redest wieder!« Als sie nah genug waren, um nicht brüllen zu müssen, fragte Tyrkir: »Mein Herr soll die Regeln verletzt haben? Nur ein völlig Blinder kann so etwas behaupten.«
    Hravn krauste die Stirn, überlegte lange, ehe er antwortete: »Ausgemacht war ein Kampf zu Pferd. Aber dein Herr ist abgesprungen. Deshalb.«
    In schnellen Sätzen erklärte Tyrkir, warum der Riese sich irrte, fragte und gab selbst die Antwort, bewusst ließ er ihn nicht zu Wort kommen und schloss: »Wie hätte mein Herr den nächsten Angriff abwehren können? Mit einem zerbrochenen Schild? Na bitte, du hast es begriffen. Er musste zu Fuß weiterkämpfen. Im Übrigen war das vorher selbst von Ejolf festgelegt worden. Oder erinnerst du dich nicht mehr daran?«
    »Mit dir kann ich nicht reden«, schimpfte Hravn. »Aber ich weiß, dass du alles zum Vorteil deines Herrn verdrehst.« Er stemmte die Fäuste in die Hüften: »Ganz gleich. Ich will keinen Zweikampf. Jetzt fordere ich ihn zum Holmgang. Da werden wir ja sehen, ob dein Herr sich auch auf der Lederhaut schlagen kann.« Er grinste breit. »Morgen bei Sonnenaufgang. Hier an dieser Stelle, da warte ich auf ihn. Meine Männer werden den Platz vorbereiten.« Grußlos wandte er sich ab und folgte den Leuten, die Ejolfs Leiche bereits in Richtung Spielhof davontrugen.
    Wohin jetzt? Die Freunde sahen sich an. Wieder hinauf ins Hochtal? Sicherheit fanden sie nur auf eigenem Land. Aber dann blieben für eine Rast höchstens zwei Stunden, rechnete Tyrkir, und schon müssten sie wieder zurück.
    »Ich brauch meinen Schlaf.« Erik hatte sich entschieden. Kein langer Ritt, auch kein Versteck. Er zeigte zum Hügel oberhalb des Gehöftes. »Da lagern wir. Da sieht uns jeder und dann sehen sie auch, dass wir uns vor niemandem fürchten.«
    Ganz wohl war Tyrkir bei dem Gedanken nicht. »Ich werde Wache halten«, versicherte er. »Wenn wir uns freiwillig auf den Teller legen, wer weiß, ob die Kerle in der Nacht nicht Hunger bekommen?«
    »Ach, Kleiner. Bei dem Dreckigen hatt ich auch Sorgen. Aber der Hravn? Das ist ein Totschläger, aber kein heimtückischer Köter.«
    Sie hatten auf der Anhöhe einen Platz gefunden und sich niedergelassen. Ganz in der Nähe grasten ihre Pferde. Die Fesseln an den Vorderhufen gaben Freiheit genug, hinderten sie aber daran wegzulaufen. Längst lag der Sonnenball neben den schneebedeckten Bergrücken weit im Horizont des Hvammsfjordes, das Licht dehnte sich zu einem roten Streifen, der langsam nach Norden wanderte. Brot und Dörrfleisch, dazu Sauermilch, mehr Proviant hatten sie nicht mitgenommen.
    »Ziemlich wenig für einen Mann, wenn er kämpfen soll«, brummte Erik und sah neidvoll auf die Grasdächer des Spielhofs hinunter. »Bis hierher rieche ich gebratene Fleischbrocken. Ja, bestimmt schlägt sich der Riese den Wanst voll und schüttet Bier nach.« Er legte sich zurück und zog den Mantel unters Kinn. »Ungerecht ist das schon. Was meinst du,

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