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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Zuhause für dich gebaut.«
    Je tiefer der Sonnenball sich dem Horizont zuneigte, umso mehr Möwen zogen mit dem Schiff: eine Fahne aus leuchtend weißem Gefieder über tiefblauem Wasser.
    Hornruf! Von Bord aus gab Erik Signal, dass er eine Bucht anlaufen und ankern wollte.
    Tyrkir überholte den Planwagen. »Ich suche uns einen Lagerplatz«, rief er Thjodhild zu und trieb sein Pferd in schnellem Tölt auf der Fahrstraße weiter.
    Am Abend knisterte die Glut, Geruch von schwelendem Torf und Holz lag noch über der Wiesenmulde. Nachdem sie gemeinsam Fleischbrühe und Brotfladen gegessen hatten, waren Katla und die anderen Mägde zurück zum Schiff gerudert. Die Knechte schliefen in Decken gerollt bei den Tieren. Mit freiem Blick aufs Wasser standen der Wagen und zwei Zelte um das Feuer. Erik stocherte in der Glut. »Das also ist aus meinem Hof geworden.«
    »Denk nicht mehr an ihn!« Unverwandt betrachtete Tyrkir die Mutter, während sie ihr Kind stillte. Dieses Bild. So schön habe ich es damals nicht in die Lampe schnitzen können. Thjodhild löste die zweite Brustfibel an den Trägern ihres Kleides, wechselte Leif in die rechte Armbeuge und ließ ihn weitertrinken.
    »Was redest du da, Schlaukopf?«, fragte Erik.
    »Ich … ich meine.« Tyrkir riss sich von dem Anblick los. »Ins Habichtstal dürfen wir nicht zurück, das weißt du. Also suchen wir uns Land unten auf der Südinsel und da bauen wir einen neuen Hof.«
    »Wenn’s so leicht wär.«
    Ärgerlich mischte sich Thjodhild ein. »Leicht sicher nicht. Aber ich habe einen starken Mann und einen klugen Verwalter. Darauf vertraue ich und mir ist nicht bang. Solange wir zusammenhalten, kann es nur besser werden.«
    Erik sah die fordernden Blicke der beiden und hörte auf, die Glut zu bearbeiten. »Schon gut, ich hab verstanden.« Tief stieß er den Stock ins Gras. »Ja, ihr habt Recht, tut mir Leid. Jammern trübt nur das Auge. Schluss damit. Nachher verpasse ich unser Glück, selbst wenn es vor mir steht.«
    Viel früher als am Tag zuvor schallte der Hornruf übers Wasser. Tyrkir ritt auf eine Uferklippe hinaus. Durch den Trichter seiner Hände fragte er und Erik rief zurück: »Zieht noch eine Wegstunde weiter. Dann rastet. Gegen Abend komme ich dann zu euch!«
    Er drehte ab und hielt auf die Inselgruppen zu, die wie ein Gürtel den Ausgang des Hvammsfjordes sperrten, ehe er in den Breidafjord überging.
    Seine Augen glänzten. Nein, er wollte nicht sitzen. Seit er vom Ausflug zurück war, ging Erik im Nachtlager auf und ab, selbst den getrockneten Fisch hatte er nicht gemeinsam mit seinen Leuten zu sich genommen, sondern ihn auf der rastlosen Wanderung von den Zelten zu den Pferden und zurück am Planwagen vorbei zerkaut. Die Senke, eingefasst durch drei steile, grasbewachsene Bergbuckel, war für seine Unruhe viel zu eng.
    Thjodhild nahm Katla beiseite. »Was hat er nur?«
    »Genau weiß ich’s auch nicht, aber der Herr hat verboten, darüber zu sprechen.« Die Magd drückte den Zeigefinger auf ihre vollen Lippen. »Weil’s eine Überraschung sein soll.«
    »Eine schöne Freundin bist du«, zischte Thjodhild und musste sich gedulden, bis alle Sklavinnen wieder auf dem Schiff waren und auch die Knechte endlich ihre Schlafplätze aufgesucht hatten.
    »Lauf nicht herum wie ein erregter Stier, der keine Kuh findet. Komm ans Feuer und sag endlich, was los ist!«
    Erik stellte sich breitbeinig vor seine Frau und den Freund. Beinah feierlich verkündete er: »Ich habe sie entdeckt. Ich weiß jetzt, wo wir unsern neuen Hof bauen.« Ehe sich die beiden von ihrem Staunen erholt hatten, forderte er sie auf, ihm zu folgen. Mit großen Schritten verließ er das Lager und wies unten am Strand über sein Schiff hinweg zu den unzähligen, braun-schwarzen oder grünen Flecken im Wasser. »Da, seht ihr?«
    »Sehr schön«, bemerkte Tyrkir trocken und dachte, der Wind ist dir heute nicht bekommen, du großer Wikinger.
    »Ich sehe nur Inseln.« Thjodhild zögerte, dann aber stemmte sie mit einem Mal die Hände in die Hüften. »Nein, gar nichts sehe ich! Und wenn du glaubst …«
    »Warte. Warte!« Erik stellte sich dicht neben sie und führte ihren Blick über seinen Zeigefinger. »Dort hinten liegt eine große Insel, erkennst du sie? Und gleich dahinter noch eine zweite. Ich war da. Beide sind unbewohnt und nirgendwo ist Land abgesteckt, also gehören sie niemandem. Wasser gibt es, frisches Quellwasser. Da ist Platz genug, um Schafe zu züchten, Platz für Pferde und

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