Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
leicht stieß er den Schmächtigen gegen die Schulter. »Das werden unsere neuen Nachbarn. Es gefällt dir doch hier? Oder?«
»Kann ich jetzt noch nicht sagen.« Tyrkir schüttelte den Kopf. »Und wenn du meinen Rat willst, bezeichne diese Bauern vor deiner Frau nicht vorschnell als neue Nachbarn. Nicht, ehe sie einverstanden ist.«
»Ja, schon recht, Schlaukopf. Aber sie wird die Inseln … Ich weiß, dort ist gutes Land.« Erik wollte nicht schlafen. »Ruh du dich aus, mein Freund!« Er selbst wollte nachdenken und weiter planen.
Früh fuhren sie los. Weil die Strecke nicht weit war, nahm Erik nur zwei Ruderknechte mit, das übrige Gesinde blieb bei Leif, den Pferden und der Ausrüstung im Lager zurück.
Geleitet von Tyrkir lenkte der Rote geschickt sein Schiff zwischen winzigen Inseln und Riffen durch die Untiefen. Das Wasser kräuselte. Eine leichte Brise erfrischte Thjodhild und ließ ihr offenes Haar wehen. »Da hinten!« Vom Steuerdeck wies sie über die tief liegende Bordwand nach Osten. »Die Sonne steht jetzt über dem Habichtstal.«
»Daran hab ich noch gar nicht gedacht.« Erik berührte ihre Schulter. »Nicht weit von den Eltern wärst du hier. Ganz oft können sie uns besuchen.«
Von Westen her liefen sie in eine kleine Bucht der äußeren Insel ein. Erik sprang von Bord und trug seine Frau an den mit schwarzen, rund gewaschenen Kieseln übersäten Strand. Neben dem sprudelnden Bachlauf stiegen sie hinauf zu einer Wiesenterrasse.
»Hier findet ihr ausreichend Platz für Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude«, erläuterte er den beiden wie ein eifriger Landverkäufer. »Ja, schaut euch nur um! Besser kann die Lage gar nicht sein.« Die Bucht wäre der einzige Hafen für größere Schiffe und von hier aus gut zu verteidigen. Auch vergaß er nicht, auf die Felsstufe am jenseitigen Ende des Bauplatzes zu verweisen, sie böte Schutz vor Nord- und Ostwind.
Staunend hatte Tyrkir ihm zugehört. Gar nicht so dumm, dachte er, wenn du dir was in den Kopf gesetzt hast, fällt dir mit einem Mal das Überreden nicht schwer.
»Kommt weiter!« Erik lief mehr als er ging. Eiderenten flatterten erschreckt hoch und umkreisten in weitem Bogen ihre Nester. Auf der Höhe dehnte sich der Blick über Hügel und Mulden. Ohne besondere Aufforderung sogen Thjodhild und Tyrkir den Geruch nach Meer und frischem Gras in sich auf. Erik grub mit der bloßen Hand im Boden. »Hier, fühlt nur! Die Erde ist gut für Zwiebeln und Lauch, und Getreide können wir auch anbauen.« Er richtete sich wieder auf. »Außerdem sammeln wir Eier. Vögel gibt’s mehr als genug. Und gestern hab ich draußen auf den Klippen zum offenen Wasser hin eine Menge Seehunde gesichtet. Da haben wir Fleisch und Speck gleich vor der Nase.« Erwartungsvoll fragte er Thjodhild: »Na was sagst du?«, und knurrte den Freund an: »He, sag doch was!«
Aus den Augenwinkeln beobachtete Tyrkir die blonde Frau. In ihrer Miene war keine Ablehnung zu lesen. Dem großen Tyr sei Dank, dachte er. Nein, unser Wikinger hat nicht übertrieben. Hier ist wirklich ein guter Platz.
Erik dauerte das Schweigen zu lange. »Seid ihr stumm geworden?«
Offen blickte ihn Thjodhild an. »Und wo sollen unsere Schafe weiden?«
»Was?« Endlich begriff er. »Du meinst …? Du findest …?«
»Ja. Hier könnte ich neu anfangen.«
»So was?« Der Hüne wischte mit dem Handrücken über seine Augen. »Ach so, die Schafe? Gleich da vorn.« Die Schwesterinsel lag zum Greifen nah, sie war größer und felsiger, dennoch gab es Grasflächen genug, um Wollvieh zu züchten. »Auch da bauen wir Ställe und Scheunen. Im Sommer benutzen wir Ruderboote und im Winter können wir bestimmt zu Fuß übers Eis. Wir werden …« Er zählte auf und geriet dabei immer mehr ins Schwärmen. Sein inneres Auge sah bereits den Hof, Hühner gackerten und die Euter seiner Kühe gaben genug, um Butter, Käse und köstliche Sauermilch herzustellen.
»Nicht so schnell, Liebster!« Thjodhild umarmte ihn. »Wir besitzen keine einzige Kuh.«
»Noch nicht.« Fest drückte er sie an sich. »Ja, ich weiß, ich bin zu ungeduldig. Beginnen können wir erst im nächsten Sommer, sobald der Schnee geschmolzen ist. Ja, und ein Haus für die Frauen baue ich dir auch, gleich neben der Sauna, ja, das verspreche ich dir. Ja, einverstanden, und den Winter verbringen wir bei deinen Verwandten.«
So viel »Ja« und »Einverstanden« waren Erik noch nie während so kurzer Zeit über die Lippen gekommen.
Da es kein Holz für
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