Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
mit Stricken festgezurrt und gebettet auf dem Bärenfell, darunter Heusäcke und Decken, und ganz zuunterst befand sich die Silbertruhe mit den drei Schlössern. »Mein Leif, nichts weißt du vom Kummer, den deine Eltern jetzt durchstehen müssen.« Sie sah zum Fjord hinaus.
    Erik begleitete den Treck auf dem Wasser. Er hatte das Segel nur halb aufgezogen. Tief lag sein Reittier des Meeres und glitt mit Bauholz, den schweren Fässern, Werkzeug und den Waffen beladen nahe dem Ufer dahin. Vorn am Drachenkopf stand Katla und achtete auf Untiefen, und die übrigen Mägde waren als Leinenwachen eingeteilt, während Tyrkir auf der Küstenstraße mit den Knechten die Pferde trieb und den Planwagen bewachte.
    Im Heck des Schiffes leuchtete der Haarschopf. Zu übersehen bist du wahrhaftig nicht, dachte Thjodhild. So stolz, so mutig und doch so dumm, wenn es um mich geht.
    Nach dem Richterspruch war Erik abends in die Schlafkammer gekommen. Vor dem Bett stehend hatte er ihr die Scheidung angeboten. »Sag es nur! Keine Frau muss bei einem Verbannten bleiben.«
    »Und was ist dein Wunsch?« Sie setzte sich in den Kissen auf.
    »Egal. Hier kannst du ein friedliches Leben führen.«
    »Erik, ich habe dich etwas gefragt.«
    Unentwegt stieß er mit der Fußspitze leicht gegen den Bettkasten und murmelte schließlich: »Wenigstens du sollst nicht ohne Glück sein.«
    »Wir sind nicht mehr auf Spitzklipp. Dich trifft keine Schuld. Auf meinen Wunsch hin hast du die Ehre der Familie verteidigt, für uns hast du gekämpft. Soll ich dich wegen falscher Zeugenaussagen verlassen? Wir gehören zusammen, Leif, du und ich und Tyrkir. Und wir vier werden neu anfangen, gemeinsam.«
    Sie zog ihn näher und legte seine Hand auf ihre Brüste. »Jetzt aber … Ich denke, wenn wir vorsichtig sind, müssen wir das nicht neu lernen. Oder glaubst du, es schadet deiner Armwunde?«
    Aus Niedergeschlagenheit wurde Erleichterung. Als er sich zu ihr legte, war sein Blick voller Begierde gewesen. »Besser, wir fragen nicht erst die Schwiegermutter.«
    Die Erinnerung an diese Nacht ließ Thjodhild lächeln. Selten war Erik so zärtlich mit ihr gewesen. Sie schlug die Zügel den beiden Pferden leicht auf die Kruppe. Oder hatte nur der verletzte Arm ihn behindert? »Ganz gleich, schön war’s.«
    Links von ihr grünten Hügel, dahinter ragte das dunkle Gebirge. Ein Bergriese nach dem anderen, manche noch schneebedeckt, sie drückten sich Schulter an Schulter in Richtung Westen auf die große Halbinsel hinaus. Den Schneefelsgletscher konnte Thjodhild von hier aus nicht entdecken. Noch nicht, dachte sie. Erst wenn wir vom Fjordufer abbiegen und quer durch die Hochtäler hinüber zur anderen Seite der Halbinsel fahren und wenn keine Wolken ihn verhüllen, dann müsste ich ihn sehen können.
    Der Gletscher beherrschte mit seinen beiden weißen Höckern die äußerste Landzunge. Geheimnisvolle Kräfte gingen von ihm aus: Wer es wagte, hinaufzusteigen und seine Ruhe zu stören, den belohnte er mit Glück oder strafte ihn mit Unglück; wie ein launischer Gott.
    Dreimal schon hatte Thjodhild als junges Mädchen den Unheimlichen aus sicherer Entfernung betrachtet. Damals war sie mit ihren Eltern durch den Breidafjord und um das Kap der Schneefels-Halbinsel gesegelt, weil die Verwandten des Stiefvaters dort unten am Ufer der Südinsel lebten. Und jetzt war sie wieder zu ihnen unterwegs. Wenn wir da sind, vielleicht sollte ich allein auf den Schneefels steigen, vielleicht wird unser Leben dann endlich gut.
    »Besucht meinen Vetter Einar Sigmundsson am Warmquellhang«, hatte der Vater vorgeschlagen. »Bei ihm könnt ihr überwintern. Zwei Töchter hat er, die müssen in eurem Alter sein. Und es kann gut sein, dass er euch Land verkauft, genug, damit ihr in der Gegend siedeln könnt. Dann seid ihr keine Fremden beim Neuanfang.«
    Die Mutter hatte sie an sich gedrückt und ihr den Rücken gestreichelt. »Weit ist es, Kindchen. Aber ich verspreche, dass wir nächstes Jahr nach euch sehen. Und wenn ihr Not habt, schickt einen Knecht. Dein Vater und ich, wir helfen euch.«
    An Hacksilber fehlt es uns nicht, überlegte Thjodhild. Da Schafe und Kühe im Habichtstal zurückbleiben mussten, hatte Thorbjörn dem Schwiegersohn mehr als einen guten Preis fürs Vieh bezahlt, außerdem besaß Erik noch das große Vermögen seines Vaters. »Warum also sich sorgen? Sie blickte wieder ins Wageninnere. »Schlaf ruhig, mein Kleiner! Ehe du begreifen kannst, haben deine Eltern ein neues

Weitere Kostenlose Bücher